Gemeinsamer Anwalt Scheidung

Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Betreuungsverfügung

Bei der Patientenverfügung geht es um das Medizinische - Begriffe wie "lebensverlängernde Maßnahmen" und "Sterbehilfe". Bei der Vorsorgevollmacht geht es um denjenigen, der für Sie dies und anderes regeln soll, vor allem Entscheidungen über Aufenthalt, Pflegeleistungen und Ihr Vermögen. In der Betreuungsverfügung informieren Sie das Betreuungsgericht über Ihre Wünsche.

Notvertretungsrecht des Ehegatten

Ganz plötzlich kann jeder - unabhängig vom Alter - in eine Situation geraten, in der er für sich nicht mehr entscheiden kann. Typischer Fall: Autounfall - künstliches Koma. Wer unterschreibt die Einwilligung für den Luftröhrenschnitt? Wer kann die Miete überweisen? Wer kümmert sich um die Reha?


Einiges davon könnte innerhalb der ersten 6 Monate der Ehegatte im Rahmen des - seit 2023 neuen - Notvertretungsrechts.

zum Ehegatten-Notvertretungsrecht

Damit sind aber Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung nicht entbehrlich!

Das ist immer noch der sicherste Weg, um für den Fall der Fälle vorzusorgen.

Im Oktober 2014 erschien im Handelsblatt eine Serie über Patientenverfügungen und Vorsorgevollmacht, zu der ich interviewt wurde. Die Artikel können Sie hier lesen:

1. Teil Handelsblatt: Vorsorge - nicht sexy, aber wichtig 2. Teil Handelsblatt: Vorsorge - nicht sexy, aber wichtig

Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung:
BGH konkretisiert 2016 und 2018 die Anforderungen

Ältere Vollmachten sicherheitshalber erneuern

Welche Anforderungen müssen eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen? Der BGH hat 2016 entschieden, dass eine schriftliche Patientenverfügung konkrete Entscheidungen des Betroffenen über bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen enthalten muss. Sonst ist sie nicht bestimmt genug und damit unwirksam.

Viele ältere Formulare entsprechen diesen Anforderungen  nicht!

Der Fall:
Die 1941 geborene Betroffene erlitt Ende 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Nach einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013 konnte sie nicht mehr kommunizieren.

Die Betroffene hatte 2003 und 2011 zwei wortlautidentische, mit „Patientenverfügung“ betitelte Schriftstücke unterschrieben.

In diesen war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten. An die „Patientenverfügung“ angehängt war die einer ihrer drei Töchter erteilte Vorsorgevollmacht, dann an ihrer Stelle mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen, ihren Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einzubringen und in ihrem Namen Einwendungen vorzutragen, die die Ärztin berücksichtigen solle.

Außerdem hatte die Betroffene 2003 in einer notariellen Vollmacht dieser Tochter Generalvollmacht erteilt. Diese berechtigte zur Vertretung auch in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung. Die Bevollmächtigte könne „in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen.“ Die Vollmacht enthielt zudem die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden mit dem Zusatz, dass die Betroffene im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen lege, wenn feststehe, dass eine Besserung des Zustands nicht erwartet werden könne.

Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter der Betroffenen die gegenteilige Meinung und haben deshalb beim Betreuungsgericht angeregt, einen sogenannten Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB zu bestellen, der die ihrer Schwester erteilten Vollmachten widerruft.

Während das Amtsgericht dies abgelehnt hat, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und eine der beiden auf Abbruch der künstlichen Ernährung drängenden Töchter zur Betreuerin der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis „Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge“, bestellt.


Wesentliche Entscheidungsgründe:
Die Rechtsbeschwerde der bevollmächtigten Tochter war erfolgreich. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Ein Bevollmächtigter kann nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen, wenn ihm die Vollmacht schriftlich erteilt ist und der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen.

Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann. Ob die beiden von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken, weil sie nach ihrem Wortlaut lediglich die Ermächtigung zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen, nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise enthalten. Jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt aber den gesetzlichen Anforderungen.

Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB entfaltet unmittelbare Bindungswirkung nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen, sondern benennen ganz allgemein „lebensverlängernde Maßnahmen“. Auch im Zusammenspiel mit den weiteren enthaltenen Angaben ergibt sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung.

Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich auch kein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen. Daher kann derzeit nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte sich offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzt, was für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in diesem Zusammenhang erforderlich wäre. Das Landgericht wird nach Zurückverweisung allerdings zu prüfen haben, ob mündliche Äußerungen der Betroffenen vorliegen, die einen Behandlungswunsch darstellen oder die Annahme eines auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willens der Betroffenen rechtfertigen.

BGH, Beschluss v. 06.07.2016 – XII ZB 61/16

Ehemann und Sohn uneinig über den Abbruch der künstlichen Ernährung - BGH 2018 zur Wirksamkeit der Patientenverfügung

Welche Anforderungen muss eine wirksame Patientenverfügung erfüllen?
Und wann folgt daraus ein Abbruch von lebenserhaltenden medizinischen Maßnahmen?

Der BGH hat am 14.11.2018 die Voraussetzung für die Bindungswirkung von Patientenverfügungen weiter präzisiert. Demnach sind ggf. auch frühere Äußerungen des Patienten zur Bestimmung seines Willens in einer konkreten Behandlungssituation heranzuziehen.

Der Fall:
Die damals 68 Jahre alte Betroffene hatte vor zehn Jahren einen Schlaganfall erlitten. Sie befindet sich nach einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand seit zehn Jahren in einem wachkomatösen Zustand. Sie wird seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Bereits deutlich vor ihrem Schlaganfall - im Jahr 1998 - hatte die Betroffene ein mit „Patientenverfügung“ betiteltes Schriftstück unterschrieben. In diesem war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen.

Zu nicht genauer festgestellten Zeitpunkten von 1998 bis zu ihrem Schlaganfall hatte die Betroffene mehrfach gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld geäußert, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie.

Sie habe durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren. Im Juni 2008 hatte die Betroffene einmalig nach dem Schlaganfall die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“

Unter Vorlage der Patientenverfügung von 1998 regte der Sohn der Betroffenen im Jahr 2012 an, ihr einen Betreuer zu bestellen.

Das Amtsgericht bestellte daraufhin den Sohn und den Ehemann der Betroffenen zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern.

Der Sohn der Betroffenen ist, im Einvernehmen mit dem bis dahin behandelnden Arzt, seit 2014 der Meinung, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr solle eingestellt werden, da dies dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Betroffenen entspreche.

Ihr Ehemann lehnt dies ab.

Den Antrag des Sohnes für die Betroffene auf Genehmigung der Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr hat das Amtsgericht abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hatte das Landgericht zunächst zurückgewiesen.

Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Senat (BGH, Beschl. v. 08.02.2017 - XII ZB 604/15 - FamRZ 2017, 748) und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht hat dieses ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob der konkrete Zustand der Betroffenen im Wachkoma ihr Bewusstsein entfallen lässt und ob in diesem Fall eine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht.

Nachdem der Sachverständige sein Gutachten auch mündlich erläutert hatte, hat das Landgericht die Beschwerde der Betroffenen nun mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist.

Wesentliche Entscheidungsgründe:
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Ehemanns der Betroffenen hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.

In diesem Fall hat die Betroffene diese Entscheidung selbst in einer alle Beteiligten bindenden Weise getroffen, so dass eine Einwilligung des Betreuers, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfällt, in die Maßnahme nicht erforderlich ist.

Wird das Gericht dennoch angerufen, weil eine der beteiligten Personen Zweifel an der Bindungswirkung einer Patientenverfügung hat und kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine wirksame Patientenverfügung vorliegt, die auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, hat es auszusprechen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (sogenanntes Negativattest).

Nach der Rechtsprechung des Senats entfaltet eine Patientenverfügung allerdings nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen dabei jedoch nicht überspannt werden.

Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt.

Nicht ausreichend sind jedoch allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Auch die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung.

Im Einzelfall kann sich die erforderliche Konkretisierung bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.

Im vorliegenden Fall hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 08.02.2017 (XII ZB 604/15) ausgeführt, dass die Betroffene mit der Anknüpfung ihrer Regelungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die sie einwilligt oder nicht einwilligt, an die medizinisch eindeutige Feststellung, dass bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, hinreichend konkret eine Lebens- und Behandlungssituation beschrieben hat, in der die Patientenverfügung Geltung beanspruchen soll.

Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei durchgeführten weiteren Ermittlungen ist diese Lebens- und Behandlungssituation auch gegeben. Nach dem Inhalt des eingeholten neurologischen Sachverständigengutachtens besteht bei der Betroffenen eindeutig ein Zustand schwerster Gehirnschädigung, bei der die Funktionen des Großhirns - zumindest soweit es dessen Fähigkeit zu bewusster Wahrnehmung, Verarbeitung und Beantwortung von Reizen angeht - komplett ausgelöscht sind. Dieser Zustand ist nach Meinung des Sachverständigen irreversibel.

Aufgrund dieser Feststellungen ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass bei der Betroffenen keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht und damit die Lebens- und Behandlungssituation vorliegt, an die die Betroffene in ihrer Patientenverfügung den Wunsch geknüpft hat, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Außerdem hat das Landgericht umfassend und sorgfältig geprüft, ob die Patientenverfügung auch eine Einwilligung der Betroffenen in den Abbruch bereits eingeleiteter lebenserhaltender Maßnahmen beinhaltet.

Hierbei hat es auf der Grundlage der schriftlichen Patientenverfügung zu Recht den Aussagen der vernommenen Zeugen besondere Bedeutung beigemessen, nach denen sich die Betroffene vor ihrer eigenen Erkrankung mehrfach dahingehend geäußert hatte, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle.

Zudem hat sich das Beschwerdegericht im Rahmen seiner Auslegungserwägungen eingehend mit der Frage befasst, ob die in der Patientenverfügung enthaltene Formulierung „aktive Sterbehilfe lehne ich ab“, dahingehend zu verstehen sein könnte, dass die Betroffene den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ablehnt und diese Frage verneint.

Weil die Betroffene für ihre gegenwärtige Lebenssituation eine wirksame Patientenverfügung erstellt hatte, ist diese bindend: Die Gerichte sind damit nicht zur Genehmigung des Abbruchs der lebenserhaltenen Maßnahmen berufen, sondern hatten die eigene Entscheidung der Betroffenen zu akzeptieren und ein Negativattest zu erteilen.

BGH, Beschluss v. 14.11.2018 - XII ZB 107/18

Bank akzeptiert die Vollmacht nicht?

In der Praxis verlangen die Banken machnmal, dass die Vollmacht auf einem hauseigenen Formular erteilt worden sein muss und akzeptieren nicht einmal notarielle Generalvollmachten.


Dürfen die das?


Nach herrschender Meinung der Gerichte: nein.


Das Amtsgericht - Betreuungsgericht - Altötting hat im Beschluss vom 26.11.2020 - XVII 406/20 - gut erklärt, warum nicht:


Der Betroffene hatte am 30.08.2018 seiner Ehefrau (und bei Verhinderung Frau X) Vorsorgevollmacht auf einem Vordruck erteilt. Die Vorsorgevollmacht umfasst insbesondere Bereiche der Gesundheitssorge und Pflegebedürftigkeit, Aufenthalts- und Wohnungsangelegenheiten, Vertretung vor Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, die Vertretung vor Gericht für Prozesshandlungen aller Art, Post- und Fernmeldeverkehr und berechtigt auch zur Erteilung von Untervollmachten für einzelne Bereiche. Unter Ziffer 5 der Vorsorgevollmacht ist unter der Überschrift "Vermögenssorge" geregelt, die Bevollmächtigte dürfe "mein Vermögen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen In- und Ausland vornehmen".

Das Betreuungsgericht hat zunächst Hinweis erteilt, dass eine rechtliche Betreuung aufgrund der Subsidiarität gegenüber einer Vorsorgevollmacht grundsätzlich nicht erforderlich ist und hat um nähere Begründung gebeten, weshalb dennoch eine Betreuung angeregt wird. Die Bevollmächtigte hat daraufhin mitgeteilt, dass die Sparkasse die Vollmacht nicht anerkenne. Sie könne die finanziellen Angelegenheiten nicht regeln, eine eigene Bankvollmacht gäbe es nicht.

Das Amtsgericht hat daraufhin der Bevollmächtigten einen ausführlichen rechtlichen Hinweis erteilt zum Verhältnis von Vorsorgevollmacht und rechtlicher Betreuung sowie dazu, dass ein auch für die Vermögenssorge bevollmächtigter Vorsorgebevollmächtigter gegenüber Banken und Sparkassen durchaus für die Anerkennung der Vollmacht eintreten dürfte, um die Vermögensinteressen des Betroffenen in dessen Sinne zu erledigen.


Der Sparkasse wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt unter Hinweis darauf, dass eine Auferlegung der Kosten gemäß § 81 Abs. 4 FamFG gegebenenfalls infrage kommen könnte.


Die Anregerin hat in der Folge telefonisch mitgeteilt, sie habe sich mit dem gerichtlichen Hinweisschreiben an ihre Kreissparkasse gewandt, wo man ihr mitgeteilt habe, dass sie die Vollmacht nicht anerkennen würden. Die Anregerin hat mitgeteilt, sie habe sich als "letzten Deppen" hingestellt gefühlt. Sie müsste eine Krankenhausrechnung bezahlen und bräuchte Geld. Im Nachgang hat sie mitgeteilt, dass ihr Prüfung durch den Marktgebietsleiter zugesichert worden sei. Im weiteren Verlauf teilte sie mit, die Bank habe ihr Anerkennung der Vollmacht zugesagt, sie müsse jedoch jedes Mal die Vorsorgevollmacht mitbringen und vorzeigen Die Sparkasse hat sich schließlich gegenüber dem Gericht selbst geäußert und mitgeteilt, die Generalvollmacht sei überprüft worden und werde nunmehr akzeptiert.


Die im vorliegenden Fall erteilte sog. Vorsorgevollmacht umfasst den Bereich der Vermögenssorge hinreichend zur Erledigung der erforderlichen Bankgeschäfte bzw. zur Vertretung gegenüber Banken- und Sparkassen. Konkrete Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht bestehen nicht und wurden auch nicht behauptet.

Eine rechtliche Betreuung war daher nicht einzurichten, § 1896 Abs. 2 BGB.


1) Gemäß § 1896 Abs. 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht einen Betreuer, wenn ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Aufgaben ganz oder teilweise nicht besorgen kann.

Das Amtsgericht Altötting hat geprüft, ob die betroffene Person bei der Besorgung ihrer Angelegenheiten die Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter benötigt und deshalb ein Betreuer bestellt werden muss.

Die gerichtlichen Ermittlungen haben ergeben, dass bei der betroffenen Person die Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich ist. Bei der Verfahrensakte befindet sich eine von der betroffenen Person erteilte Vollmacht. Eine solche Vorsorgevollmacht hat Vorrang, soweit sie reicht, so dass daneben kein Betreuer bestellt werden kann (Jürgens Betreuungsrecht, 6. Aufl. 2019, BGB § 1896 Rn. 19). Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seinem Beschluss vom 30.08.2017 - XII ZB 16/17 (BGH NJW-RR 2017, 1281) ausgeführt: Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 S. 1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 S.2 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt ein bloßer Verdacht nicht, um die Vermutung der Wirksamkeit einer vorliegenden Vollmachtsurkunde zu erschüttern. Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es bei der wirksamen Bevollmächtigung. Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen.

Das Gericht ist der Frage der Wirksamkeit der Vollmacht nachgegangen (§ 26 FamFG), insbesondere ob sie im Zustand der Geschäftsfähigkeit erteilt und nicht widerrufen wurde.

Ob die Vollmacht in obigen Sinne wirksam ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln (vgl. Palandt BGB Komm. 79. Aufl. 2020 § 1896 Rn.12). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die hinreichend Anlass zu Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der Vollmacht geben könnten. Daher ist von Geschäftsfähigkeit auszugehen, da diese die Regel, ihr Fehlen die Ausnahme und nachzuweisen ist (allg. M., OLG München BtPrax 2009, 240 m Verw auf BGH NJW 1972, 681 und BayObLG Rpfleger 1982,286; Palandt BGB Komm. 79. Aufl. 2020 § 104 Rn.8). Auf Grund der Nachrangigkeit der Betreuerbestellung muss das Gericht nämlich wiederum positiv feststellen, dass vorrangige Hilfen nicht (ausreichend) zur Verfügung stehen (Bienwald in: Bienwald/Sonnenfeld/Harm, Betreuungsrecht, 6. Aufl. 2016, § 1896 BGB, Rn. 124). Bis zum Beweis des Gegenteils ist davon auszugehen, dass d. Betreuungsbedürftige im Zeitpunkt der Erteilung geschäftsfähig war (Palandt a.a.O. Rn. 12).


2) Der Gesetzgeber hat bewusst Vorsorgevollmachten als selbstbestimmte Alternative für rechtliche Betreuungen geregelt. Wo eine Vorsorgevollmacht besteht, ist eine rechtliche Betreuung weder erforderlich noch zulässig.

a) Erfahrungsgemäß kommt es vor, dass Banken und Sparkassen entsprechende Vollmachten dennoch nicht anerkennen, selbst wenn die Vollmacht die Regelung der Vermögensangelegenheiten vollständig umfasst. Dies hat dazu geführt, dass in verbreiteten Vordruckformularen für Vorsorgevollmachten ein gesonderter Hinweis darauf zu finden ist, dass hinsichtlich der Vertretung vor Banken nach Möglichkeit zur Vermeidung von Akzeptanzproblemen Bank eigene Vollmachtsformular verwendet werden sollten. So heißt es bspw. im "Formular Vollmacht - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Stand: September 2019" dazu folgendermaßen: "Für die Vermögenssorge in Bankangelegenheiten sollten Sie auf die von Ihrer Bank/Sparkasse angebotene Konto-/Depotvollmacht zurückgreifen. Diese Vollmacht berechtigt den Bevollmächtigten zur Vornahme aller Geschäfte, die mit der Konto- und Depotführung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Es werden ihm keine Befugnisse eingeräumt, die für den normalen Geschäftsverkehr unnötig sind, wie z.B. der Abschluss von Finanztermingeschäften. Die Konto-/Depotvollmacht sollten Sie grundsätzlich in Ihrer Bank oder Sparkasse unterzeichnen; etwaige spätere Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachtserteilung können hierdurch ausgeräumt werden. Können Sie Ihre Bank/Sparkasse nicht aufsuchen, wird sich im Gespräch mit Ihrer Bank/ Sparkasse sicher eine Lösung finden."


Im "Becksches Notarhandbuch" heißt es dazu:

Probleme im Außenverhältnis bereiten immer wieder Konto- und Depotverfügungen aufgrund notariell beurkundeter oder beglaubigter Vorsorgevollmachten. Banken behaupten gelegentlich, dass Konto- und Depotvollmachten nur auf bankeigenen Formularen wirksam erteilt werden können oder erkennen erteilte Vorsorgevollmachten mit dem Wirkungskreis "Vermögen” aus sonstigen Gründen schlicht nicht an. Sollte diese Verweigerung unter Verweis auf einschränkende Vertragsklauseln von Banken (falls es solche überhaupt gibt) erfolgen, nach denen Vollmachten nur auf bankinternen Vordrucken (zB Muster des Zentralen Kreditausschusses der Banken "ZKA”) und/oder nur im Dabeisein von Bankmitarbeitern wirksam erteilt werden können, dürfte dies gegen §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 13 BGB verstoßen.

Richtig ist hingegen, dass eine notariell beurkundete oder beglaubigte General- und Vorsorgevollmacht, die den Wirkungsbereich "Vermögen” umfasst, den Bevollmächtigten auch zu Verfügungen über Bankkonten des Vollmachtgebers berechtigt, unabhängig davon, ob zugleich eine spezielle Bankvollmacht erteilt worden ist oder nicht. Auch nach Eintritt der Hilfsbedürftigkeit des Vollmachtgebers ist daher die Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis "Vermögenssorge” oder "Bankangelegenheiten” nicht erforderlich. Eine Bank haftet daher (zB für Anwaltskosten), wenn sie trotz Vorlage einer wirksamen Vorsorgevollmacht ihr Handeln von (unberechtigten) Bedingungen abhängig macht. (vgl. BeckNotar-HdB, § 16. Vorsorgevollmacht; Betreuungs- und Patientenverfügung, beck-online)

b) Ein Betreuungsverfahren kann alleine durch die etwaige anfallende Jahresgebühr oder schon wegen der Kosten für die notwendige psychiatrische Begutachtung durch das Gericht je nach Vermögenslage auch mit erheblichen Kosten verbunden sein, obwohl eine die Vermögenssorge umfassende Vorsorgevollmacht besteht.

In den letzten Jahren haben sich die Gerichte über das Bundesgebiet verteilt zunehmend mit der Frage befasst, ob durch eine unberechtigte Zurückweisung einer Vollmacht ein Betreuungsverfahren erzwungen werden kann; dies hat auch in der betreuungsrechtlichen Literatur seinen Niederschlag gefunden:

Der Umstand, dass Banken die Akzeptanz von Vorsorgevollmachten von unberechtigten Bedingungen abhängig machen, war bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen (vgl. LG Detmold, Urteil vom 14.01.2015, 10 S 110/14, ZEV 2015, 353 LG Kleve, Beschluss vom 17.03.2015, 4 T 62/15, NJW-RR 2015, 967 f). Dass in diesen Fällen Schadensersatzansprüche gegen die Bank bestehen, ist auch Stand der Kommentarliteratur (vgl. Schneider in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1896 BGB Rn. 54 m.w.N.). (LG Konstanz Beschluss vom 27.5.2020 - C 11 S 19/20, BeckRS 2020, 11815 Rn. 8, beck-online)

Ohne Verfügungsmacht über die Konten kann die Bevollmächtigte zweifelsohne die Vermögensinteressen des Betroffenen nicht sinnvoll wahrnehmen. Allerdings obliegt es der Bevollmächtigten im Falle einer unberechtigten Weigerung dann, der wirksamen Vollmacht ihre Geltung zu verschaffen. Denn mit Blick auf die Rechtsprechung hat eine Bank in der Regel bei einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht, die den Bevollmächtigten dazu berechtigt, den Vollmachtgeber in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies rechtlich möglich ist, zu vertreten, diese zu akzeptieren, wenn keine begründeten Zweifel an der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht bestehen. Die Vollmacht berechtigt zur Verfügung über die Konten des Vollmachtgebers, auch wenn dies nicht ausdrücklich geregelt ist (vgl. auch ZEV 2015, 353; NJW-RR 2015, 967). ... Im übrigen hätte ein Betreuer dann in diesem Fall auch die Aufgabe, die Geltung der Vollmacht den Geschäftspartnern gegenüber durchzusetzen und gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche gegen sie geltend zu machen (MüKoBGB/Schwab, 7. Auflage 2017, § 1896 Rn. 53). (LG Augsburg, Beschluss vom 08. März 2017 - 54 T 144/17 -, Rn. 21 - 26, juris)

Wenn im Falle einer vorgelegten Vorsorgevollmacht keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese nicht ordnungsgemäß ausgestellt worden ist bzw. nicht mehr dem Willen des Vollmachtgebers entspricht, geht die Vollmacht regelmäßig einem gerichtlichen Betreuungsverfahren vor. Veranlasst eine Bank die Bestellung eines Betreuers, weil sie eine Vollmacht ablehnt, gegen deren Wirksamkeit keine Gründe sprechen, so können ihr bei grobem Verschulden gemäß § 81 IV FamFG die Kosten des Verfahrens auferlegt werden. (LG Hamburg, Beschluss vom 30. August 2017 - 301 T 280/17 -, Rn. 13, juris)

Hat der Betroffene eine umfassende und zweifelsfrei wirksam erteilte Vorsorgevollmacht erteilt, ist die Bestellung eines Betreuers auch dann nicht erforderlich, weil eine Bank nicht bereit ist, diese Vollmacht zu akzeptieren (LG Kleve FamRZ 2015, 1523). Diese Vollmacht (hier für Vermögensangelegenheiten) berechtigt auch dann zu einer Verfügung über ein Bankkonto des Vollmachtgebers, wenn für dieses keine gesonderte Bankvollmacht erteilt worden ist (LG Detmold FamRZ 2015, 1522). Macht eine Bank die Verfügung des Vorsorgebevollmächtigten über ein Bankkonto des Vollmachtgebers trotz Vorliegens der Vorsorgevollmacht von unberechtigten Bedingungen abhängig, haftet sie dem Vollmachtgeber für den diesem entstandenen Schaden (hier: die Aufwendungen für die Einschaltung eines Rechtsanwalts, LG Detmold oben). (Staudinger/Bienwald (2017) BGB § 1896, Rn. 276)

Eine Bank oder Sparkasse, die eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht grundlos nicht akzeptiert, kann zur Übernahme der Kosten des Betreuungsverfahrens verpflichtet werden (Andreas Roth in: Dodegge/Roth, Systematischer Praxiskommentar Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2018, I. Die Vorsorgevollmacht, Rn. 14)

Die Bestellung eines Betreuers ist bei einer umfassenden und zweifelsfrei wirksam erteilten Vorsorgevollmacht auch dann nicht erforderlich, wenn eine Bank nicht bereit ist, diese zu akzeptieren. (LG Kleve, Beschluss vom 17. März 2015 - 4 T 62/15 -, juris)

c) Das Gericht hält diese Rechtsauffassung auch bzgl. privatschriftlicher Vorsorgevollmachten für zutreffend.

Der Gesetzgeber hat bewusst in § 1896 Abs. 2 BGB der Möglichkeit selbstbestimmter Vorsorge für den Fall mangelnder Fähigkeit, seine Angelegenheiten rechtlich zu erledigen, den Vorzug eingeräumt. Mit der Vollmachterteilung in gesunden Tagen kann der Bevollmächtigende regeln, wer seine rechtlichen Angelegenheiten besorgen soll, wenn er krankheitsbedingt hierzu nicht mehr selbst in der Lage ist. Diese Möglichkeit der vorsorgenden Bevollmächtigung ist Ausfluss des von Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts des Betr. Mit ihr kann eine wenn auch fürsorgende staatliche Einflussnahme mittels Betreuung vermieden werden (vgl. BGH Beschluss vom 17.2.2016 - XII ZB 498/15).

aa) Für den Vollmachtgeber wird genau dies in der Regel auch Anlass und Ziel seiner Vollmachtserteilung sein. Das Gericht geht davon aus, dass der typische Erwartungshorizont auch dahin geht, mit der Erteilung der Vorsorgevollmacht das Nötige für die rechtliche Vertretung bei Krankheit und Alter erledigt zu haben und keiner weiteren Einschaltung oder Regelung staatlicher Stellen und Gerichte dann mehr zu bedürfen. Dies wird auch nicht schon durch einen der in verschiedenen Fassungen vorzufinden Hinweise in Vorsorgevollmachtformularen auf eine angeratene Nutzung bankeigener Vordrucke beseitigt. Für die Erteilung einer Vorsorgevollmacht ist grundsätzlich keine besondere Form vorgeschrieben, außer in besonders gesetzlich benannten Bereichen (beispielsweise bei freiheitsentziehenden Maßnahmen, § 1906 Abs. 5 BGB; vgl. auch § 167 Abs. 2; BGH NJW 2016, 1516; BeckOK BGB/Müller-Engels, 55. Ed. 1.5.2020, BGB § 1896 Rn. 28). Für die Vermögenssorge ist dies nicht der Fall. Die Vorsorgevollmacht kann sogar als Generalvollmacht angelegt sein (Jürgens/Jürgens, 6. Aufl. 2019, BGB § 1896 Rn. 19; BeckOGK/Schmidt-Recla, 1.10.2020 BGB § 1896 Rn. 227). Die Verwendung von Formularen irgendwelcher Art ist nicht vorgeschrieben, Vollmachten können beispielsweise ebenso gut auf Grundlage ausreichender Sachkenntnis oder Beratung entsprechend der eigenen Selbstbestimmung formuliert werden. Bei den Hinweisen in Vorsorgevollmachtformularen handelt es sich lediglich um Erläuterungen zur möglichst reibungslosen Abwicklung im Sinne einer vorsorglichen, möglichst sicheren Rechtsgestaltung. Dies mag durchaus ratsam sein, vorgeschrieben ist es nicht und beschneidet keinesfalls die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erwachsende Ausübung des Selbstbestimmungsrechts. Außerhalb wirksamer individualvertraglicher Vereinbarungen mit dem Kreditinstitut ist eine gesetzliche Einschränkung der Bevollmächtigung gegenüber seinem Vertragspartner (hier Kreditinstitut) nicht vorgesehen, im Rahmen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zudem zumindest zweifelhaft (siehe oben unter 2a zu §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, 309 Nr.13 BGB strengere Form von Anzeigen und Erklärungen, besondere Zugangserfordernisse).

Das Bedürfnis nach Verwendung bankeigener Vordrucke darf daher keinesfalls dazu führen, die antizipierte Selbstbestimmung des Vollmachtgebers zu unterlaufen.

bb) Das Gericht verkennt dabei nicht das Interesse von Banken an einem standardisierten Geschäftsverkehr oder die Auffassung, dass Vorsorgevollmacht für Banken erhebliche Probleme aufwerfen können, etwa im Hinblick darauf, ob der Vollmachtgeber bei der eventuell Jahre zurückliegenden Erteilung noch geschäftsfähig war und dass die Verwendung von banküblichen Formularen die Risiken für die Bank teils als wesentlich geringer einschätzen lässt (vgl. BKR 2007, 226, beck-online Die Vorsorgevollmacht im Bankgeschäft Prof. Dr. W. Z., Passau). Jedoch haben die Banken keinen Anspruch auf die Verwendung des Formulars (juris Literaturnachweis zu Zimmermann, ErbR 2018, 355-357).

Umfasst eine Vorsorgevollmacht jedoch zweifellos auch die Vermögenssorge und fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Vorsorgevollmacht unwirksam ist oder dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. BGH NJW-RR 2020, 449 beck-online) wird regelmäßig betreuungsrechtlich eine Nichtbeachtung der Vollmacht nicht zu rechtfertigen sein.

(1) Betreuungsrechtlich ist geklärt, dass ein Beiseiteschieben einer bestehenden und grundsätzlich ausreichenden Vorsorgevollmacht nur auf Grundlage "konkreter Anhaltspunkte" in Betracht kommt, das heißt etwa der durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird, oder die Unwirksamkeit etwa wegen fehlender Geschäftsfähigkeit nachweislich ist. Damit ist der Maßstab im wesentlichen festgelegt.

Das passt umgekehrt zur allgemein-zivilrechtlichen Regel in § 174 BGB, wonach ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, dann unwirksam ist, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Dies trägt dem berechtigten Gewissheitsinteresse des Geschäftsgegners Rechnung (MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018 Rn. 1, BGB § 174 Rn. 1). Mit dieser Normierung wird der geschützte Interessensbereich des Erklärungsempfängers definiert. Die Vorschrift schützt den Erklärungsgegner, der einem einseitigen empfangsbedürftigen Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter vornimmt, nicht ansehen kann, ob es von einer Vollmacht gedeckt oder ohne Vertretungsmacht vorgenommen (und damit nach § 180 S. 1 BGB nichtig) ist. Sie regelt, auf welche Weise der Dritte sich in dieser Situation Gewissheit verschaffen kann, nämlich indem er auf der Vorlage einer Vollmachtsurkunde besteht und bei Nichtvorlage das Rechtsgeschäft zurückweist (vgl. HK-BGB/Heinrich Dörner, 10. Aufl. 2019, BGB § 174 Rn. 1). Eine Verwendungsnotwendigkeit standardisierter Formulare beinhaltet die Vorschrift auf der anderen Seite eben nicht. Daraus ersichtlich wird auch die Abweichung von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und das Aufstellen strengerer Erfordernisse im Sinne des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine pauschale Verweisung auf bankeigene Formulare kann daher rechtlich kein schlüssiges Ergebnis sein.

(2) Auch der Umfang der Vollmacht ist im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft und auch nicht in Zweifel gezogen worden. Vermögenssorge bedeutet allgemein die Gesamtheit tatsächlicher und rechtlicher Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, das Vermögen einer Person zu erhalten und zu vermehren. Die Bevollmächtigte darf entsprechend der hier vorgefundenen Formulierung das Vermögen des Betroffenen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen im In- und Ausland vornehmen. Dies umfasst zweifellos die Wahrung der finanziellen Interessen des Betroffenen gegenüber seiner Bank, eine Einschränkung ist im Wortsinn nicht angelegt.

cc) Eine rechtliche Betreuung lässt sich auch nicht mit Hinweis auf den Wortlaut von § 1896 Abs. 2 BGB tragfähig begründen.

(1) Danach geht die Vollmacht der Betreuung nur vor, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten "ebenso gut" wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Zumindest der pauschale Verweis darauf, dass privatschriftliche Vorsorgevollmachten ohne Verwendung standardisierter Formulare von Kreditinstituten das Risiko mangelnder Akzeptanz im Rechtsverkehr bergen, reicht nicht aus, eine Eignung "ebenso gut" zu verneinen. Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung führen nur dann zur Erforderlichkeit der Betreuung, wenn die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr eingeschränkt ist, entweder weil Dritte die Vollmacht unter Berufung auf diese Bedenken zurückgewiesen haben oder weil Entsprechendes konkret zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3.2.2016 - XII ZB 425/14 NJW 2016, 1514, beck-online). Dies kann aber z.B. nicht allein mit dem nicht näher substantiierten Hinweis auf allgemeine Zweifel an der Wirksamkeit in Abrede gestellt werden (OLG München, Beschluss vom 05. Juni 2009 - 33 Wx 278/08 -, Rn. 74, juris).

(2) Da es vorliegend auch keine konkreten Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vollmacht oder die tatsächliche Bevollmächtigung der Ehefrau gibt, gab es keine tragfähige Grundlage, die weitere, ebenfalls mit Grundrechtseingriffen verbundene, Verfahrensschritte oder ein Abweichen von der gesetzlichen Regel des § 1896 Abs. 2 BGB und damit von dem grundsätzlichen Vorrang der Vollmacht rechtfertigen könnte.


3) Da die betroffene Person somit durch die Bevollmächtigung einer Person seines Vertrauens dafür Sorge getragen hat, dass sie/er die erforderliche Unterstützung erhält, war gem. § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB die gerichtliche Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich.

Das Verfahren war daher ohne Betreuerbestellung zu beenden.

Im Oktober 2014 erschien im Handelsblatt eine Serie über Patientenverfügungen und Vorsorgevollmacht, zu der ich interviewt wurde. Die Artikel können Sie hier lesen:

1. Teil Handelsblatt: Vorsorge - nicht sexy, aber wichtig 2. Teil Handelsblatt: Vorsorge - nicht sexy, aber wichtig
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