Anwalt kostenlos?
Wer hat Anspruch auf staatliche Finanzierung?
"Arm im Sinne des Gesetzes"?

Das Original des Berechtigungsscheines "Beratungshilfe" muss vorher per Post übersandt werden, der Eigenanteil von 15 Euro muss überwiesen sein.
Auch die Verfahrenskostenhilfe-Anträge nebst Belegen benötige ich vorher im Original.
Wann gilt man als arm?
PKH-Bekanntmachung 2025 vom 18.12.2024, BGBl 2025 I 429
Seit dem 1.1.2025 sind neue Beträge für die Prozesskostenhilfe (PKH) maßgebend. Sie sind nach § 115 I S. 3 Nr. 1b und Nr. 2 sowie S. 5 ZPO vom Einkommen der Partei abzusetzen und betragen nun
- für Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen (§ 115 I S. 3 Nr. 1b ZPO), 282 Euro,
- für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner (§ 115 I S. 3 Nr. 2a ZPO), 619 Euro,
- für jede weitere Person, der die Partei auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet, in Abhängigkeit von ihrem Alter (§ 115 I S. 3 Nr. 2b ZPO):
a) Erwachsene 496 Euro (Regelbedarfsstufe 3),
b) Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 518 Euro (Regelbedarfsstufe 4),
c) Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 429 Euro (Regelbedarfsstufe 5),
d) Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 393 Euro (Regelbedarfsstufe 6).
Typischer Fall:
Der Mann ist Alleinverdiener, die Frau trennt sich und hat nun kein Einkommen und auch keinen Zugriff mehr auf Konten ihres Mannes.
Sie denkt daran, Verfahrenskostenhilfe zu beantragen.
Muss sie ihre Ersparnisse einsetzen?
Aber, Achtung:
Ggf. muss sie zuerst den mann auf "Verfahrenskostenvorschuss" verklagen, denn warum soll der Sozialstaat einspringen, wenn innerhalb der Ehe ausreichend Einkommen vorhanden ist?
Voraussetzungen eines Verfahrenskostenvorschusses nach Trennung
1. Der eigenständige Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses nach Trennung ist gemäß § 1360a Abs. 4 BGB auf die Deckung eines unterhaltsrechtlichen Sonderbedarfs gerichtet, der unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit ausgestaltet ist.
2. Im Rahmen der Bedürftigkeit des anspruchsberechtigten Ehegatten ist von dem Grundsatz auszugehen, dass an eine Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten geringere Anforderungen zu stellen sind, je leistungsfähiger der Unterhaltsverpflichtete ist.
3. Über diesen Grundsatz hinaus sind auch beim Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses in der Trennungszeit für die Frage, in welchem Umfang Vermögen vorrangig zu verwerten ist, die Wertungsgesichtspunkte aus § 1577 Abs. 1 und Abs. 3 sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung des BGH heranzuziehen.
4. Im Rahmen der danach gebotenen Billigkeitsabwägung ist über den zu belassenden Sockelbedarf für besondere individuelle Bedürfnislagen und Notfälle hinaus für nicht gesondert geschützte Vermögenswerte unter anderem auf den Umfang des Vermögens, die daraus erzielten Erträge, die Dauer einer Unterhaltsbedürftigkeit, das Vermögen des anderen Ehegatten sowie die Sicherung seiner eigenen angemessenen Altersvorsorge abzustellen.
5. Weitergehende Einschränkungen sind aufgrund der stärkeren personalen Verantwortung füreinander gerechtfertigt, wobei neben der Unterhaltsbelastung auf die Dauer der Trennungszeit an Bedeutung gewinnt.
6. Zur Berücksichtigung staatlicher Leistungen bei der Bestimmung des unterhaltsrelevanten Einkommens während der Corona-Pandemie in Form einer Überbrückungshilfe.
OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2024 – 21 UF 105/23
Ein Verfahrenskostenvorschuss steht auch getrenntlebenden Ehegatten zu, da die Regelung des § 1361 Abs. 4 S. 4 BGB auf die Vorschrift des § 1360a Abs. 4 BGB verweist. Es widerspricht auch nicht der Billigkeit, wenn der Unterhaltspflichtige einen Vorschuss für ein Verfahren zahlen soll, welches im Anschluss gegen ihn geführt wird. Der Anspruch gem. § 1360a Abs. 4 BGB setzt voraus, dass der Anspruchsberechtigte bedürftig, mithin nicht in der Lage ist, die Kosten eines Verfahrens in einer persönlichen Angelegenheit zu tragen. Die Geltendmachung des beabsichtigten Anspruchs muss der Billigkeit entsprechen, dies beinhaltet die Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten sowie die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Darlegungs- und beweisbelastet ist, in Übereinstimmung mit den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses, der Anspruchsteller für die Anspruchsvoraussetzungen, mithin die eigene Bedürftigkeit sowie die Billigkeit. Je leistungsfähiger der Unterhaltsverpflichtete ist, desto geringere Anforderungen sind an die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten zu stellen. Sofern etwaige Vermögenswerte, die lediglich eine Rücklage für Not- und/oder Krankheitsfälle darstellen, vorhanden sind, müssen diese nicht verwertet werden. Es ist nicht der Maßstab, der im Rahmen der Prüfung der Verfahrenskostenhilfe zugrunde zu legen ist, anzuwenden.
2. Die Antragstellerin ist bedürftig, da sie im Rahmen einer Gesamtabwägung im vorliegenden Einzelfall, insbesondere unter Berücksichtigung der beiderseitigen Vermögensverhältnisse der Ehegatten, zumindest nicht verpflichtet ist, ihr vorhandenes Vermögen zu verwerten. Die Antragstellerin verfügt aufgrund ihrer unstreitig bestehenden Erwerbsunfähigkeit über kein Einkommen, sodass nur der Einsatz von etwaigem Vermögen in Betracht kommt. Das Amtsgericht – Familiengericht – hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin dem Grundsatz nach verpflichtet ist, eigenes Vermögen zur Zahlung der Verfahrenskosten einzusetzen. Vorliegend entspricht dieser Einsatz indes nicht der Billigkeit, sodass eine Verwertung nicht in Betracht kommt. Über den allgemein anerkannten Grundsatz, dass umso geringere Anforderungen an die individuelle Bedürftigkeit zu stellen sind, je höher die Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten aus dessen Erwerbseinkommen und Vermögen ist, hinaus zieht der Senat im Rahmen des Anspruchs auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses in der Trennungszeit die Wertungsgesichtspunkte aus § 1577 Abs. 1 und Abs. 3 BGB sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs heran. Nach der vorgenannten Regelung ist der unterhaltsberechtigte Ehegatte im Rahmen der ihm obliegenden Eigenverantwortung gehalten, vor der Inanspruchnahme des anderen (geschiedenen) Ehegatten zur Deckung seines Lebensbedarfs seine Einkünfte und sein Vermögen heranzuziehen. Dieser Grundsatz erfährt in Abs. 3 dahingehend eine bedeutsame Einschränkung, dass der Stamm des Vermögens nicht zu verwerten ist, soweit sich die Verwertung als unwirtschaftlich darstellt oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Im Rahmen der danach gebotenen Billigkeitsabwägung ist für nicht gesondert geschützte Vermögenswerte u.a. auf die Größe des Vermögens, die daraus erzielbaren Erträge, die Dauer einer Unterhaltsbedürftigkeit, das Vermögen des anderen Ehegatten sowie die Sicherung einer eigenen angemessenen Altersversorgung abzustellen. Weiterhin ist dem unterhaltsberechtigten Ehegatten ein angemessener Sockelbetrag für individuelle Bedürfnislagen sowie Notfälle zu belassen.
Für den Anspruch auf Trennungsunterhalt hat der Bundesgerichtshof weitergehende Einschränkungen daraus abgeleitet, dass die Maßstäbe des § 1577 Abs. 3 BGB die äußerste Grenze einer Inanspruchnahme bilden, bis zu der der unterhaltsberechtigte Ehegatte auf den Vermögensstamm verwiesen werden kann. Dies hat seinen Grund darin, dass zwischen den noch verheirateten Ehegatten eine „stärkere personale Verantwortung füreinander“ besteht, als dies nach der Ehescheidung der Fall ist. Darüber hinaus ist im Rahmen der Billigkeitsabwägung besonders zu berücksichtigen, in welchem Umfang der verpflichtete Ehegatte durch die Unterhaltsgewährung belastet wird, wobei auch dessen weiteres Vermögen einzubeziehen ist. Da die Aufrechterhaltung der Ehe in der Trennungszeit nicht ausgeschlossen ist, kann sich hieraus eine Begrenzung der Obliegenheit zur Vermögensverwertung ergeben. Hieraus folgt zugleich, dass der Dauer der Trennungszeit insoweit Bedeutung zukommt, als bei einer lediglich kurzen Trennungszeit eine Verwertung eher fernliegt, während nach einer längeren Trennungszeit eine Verwertung wie im Rahmen des nachehelichen Unterhalts in Betracht zu ziehen ist. Vor diesem Hintergrund wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Heranziehung des Vermögensstamms auf Seiten des unterhaltsberechtigten Ehegatten tendenziell dann in Erwägung gezogen, wenn dieser über erhebliche Vermögenswerte verfügte.
Nach dem Vortrag des Antragsgegners verfügt die Antragstellerin aufgrund der Veräußerung ihrer Immobilie in S. im Jahr 2015 mit einem Verkaufserlös von 145.000,00 EUR noch über einen Restbetrag von mindestens 50.000,00 EUR – 70.000,00 EUR. Dem ist die Antragstellerin entgegengetreten und hat erklärt, dass kein Vermögen mehr vorhanden sei.
Schließlich ist die Antragstellerin im Rahmen einer Billigkeitsabwägung auch nicht gehalten, die vom Antragsgegner während der Ehezeit erhaltenen Geschenke in Form von Schmuck und (Luxus-)Handtaschen zu veräußern. Es ist gerichtsbekannt, dass solche Schmuckstücke bzw. Handtaschen im Grundsatz nicht zum Originalpreis weiterveräußert werden können und insbesondere der Wiederverkaufswert von Schmuck sich verändernden modischen Vorstellungen unterliegt.
(...)
Der Senat verkennt nicht, dass unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes bei Zahlung eines Trennungsunterhalts nach Quote die Bejahung eines Anspruchs auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses nur in Betracht kommt, wenn der Pflichtige Vermögen oder nicht prägende Einkünfte hat. Der Antragsgegner verfügt, wie dargestellt, über nicht unerhebliches Vermögen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles, insbesondere des dargestellten Vermögensgefälles zwischen den Beteiligten, erscheint es vorliegend nicht unbillig, dass der Antragsteller verpflichtet ist, einen Verfahrenskostenvorschuss aus seinem Vermögen zu zahlen. Hierbei wurde nicht unberücksichtigt gelassen, dass sich das Vermögen des Antragsgegners im Wesentlichen aus seinem Gewerbebetrieb und dem Immobilienbesitz zusammensetzt und daher eine Verwertung des Vermögensstamms für den Vorschussanspruch der Antragstellerin nicht ohne Weiteres erwartet werden kann. Angesichts der dargestellten Vermögensverhältnisse des Antragsgegners ist der Anspruch auch zeitnah durchsetzbar.
Vorschuss nicht für außergerichtliche Beratung
Die zwischen getrenntlebenden Ehegatten bestehende Verpflichtung zur Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses erstreckt sich nicht auf die Kosten einer vor- oder außergerichtlichen Rechtsberatung oder Vertretung. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2025 - XII ZB 187/24
Verfahrenskostenhilfe (VKH) - die staatliche Kostenübernahme im familiengerichtlichen Verfahren
Scheidungsfolgenvergleich beim Notar: Der Staat zahlt anwaltliche Mitwirkung
Es ist immer noch nicht bei allen Rechtsanwälten und Rechtspflegern bekannt, dass man einen Scheidungsfolgenvertrag über VKH abrechnen kann, jedenfalls die anwaltliche Mitwirkung.
OLG Rostock - Beschluss vom 10.08.2006 (11 WF 4/06):
„Die Erstreckung gilt selbst dann, wenn für eine entsprechende Folgesache PKH (Anm.: mangels Erfolgsaussicht) verweigert wurde, vgl. Zöller[26.] 114 ZPO R.47. Der Abschluss eines Scheidungsfolgenvergleichs über Folgesachen, die die Parteien bisher im Scheidungsverbund nicht anhängig gemacht haben, ist nicht mutwillig im Sinne des § 114 ZPO. Es liegt im wohlverstandenen Interesse der Ehegatten, sich über die Scheidungsfolgen (den Kindesunterhalt, den nachehelichen Unterhalt und die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat) zu einigen und erforderlichenfalls einen Vollstreckungstitel zu schaffen.“
OLG Nürnberg - Beschluss vom 29.04.2009 (9 WF 472/09):
„Die Vorschrift bezweckt, der bedürftigen Partei den Abschluss einer Vereinbarung auch über familienrechtliche Folgesachen zu möglichen, die noch nicht rechtshängig sind.“
Und nochmal OLG Nürnberg - Beschluss vom 29.04.2009 (9 WF 472/09):
„Es kann dahinstehen, ob der Begriff der >Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht< in § 48 Abs. 3 RVG dahin auszulegen ist, dass er auch die Verpflichtung zur Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück und zur Übernahme der mit dem Grundstück verbundenen Schulden umfasst; nach § 48 Abs. 4 S. 1 RVG ist der bedürftigen Partei die Prozesskostenhilfe auf Antrag nämlich auch für die Vereinbarung über weitere familienrechtliche Angelegenheiten zu gewähren, wenn sie im Zusammenhang mit der Ehesache stehen.“
Und erneut OLG Nürnberg - Beschluss vom 22.12.2010 (7 WF 1773/10):
„Mangels ausdrücklicher Einschränkung im Gesetz gilt auch für Einigungen, die die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung betreffen, die nicht Folgesachen sein könnten, namentlich den Trennungsunterhalt und den Kindesunterhalt während der Trennungszeit.“
Namhafte Stimmen in der Literatur:
„Auf die Anhängigkeit der entsprechenden Folgesachen und die Erfolgsaussicht etwaiger Anträge kommt es nicht an“ (Zöller/Philippi-ZPO, 27. Aufl., § 114 Rdn. 47; Gerold-Schmidt/Müller-Rabe-RVG, 18.Aufl., § 48 Rdn. 28).
Das OLG Koblenz war sich 2015 seiner Außenseiterstellung in dieser Rechtsfrage bewusst:
„Ob sich dies bei außergerichtlicher Einigung aber nur auf anhängige oder auch nicht anhängige Folgesache bezieht, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Der Senat schließt sich der auch von anderen Familiensenaten des Oberlandesgerichts Koblenz vertretenen Auffassung an, wonach der in einer Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt für die Mitwirkung an einem außergerichtlichen Vergleich über Folgesachen nach § 48 Abs. 3 RVG, die nicht anhängig waren, keine Vergütung aus der Staatskasse beanspruchen kann.“
Der für Aachen zuständige Senat des OLG Köln entschied 2016, 10 WF 5/16 vom 15.3.2016 - Entscheidung als PDF hier abrufbar.
2018 hatte der BGH Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Meinungsstreit.
Im BGH-Beschluss vom 17.1.2018 - XII ZB 248/16 – ging es auch um eine weitere umstrittene Frage: Bekommt der Anwalt bei einem Mehrvergleich im VKH-Mandat alle Gebühren aus der Staatskasse ersetzt, auch die Differenzverfahrens- und die Differenzterminsgebühr?
Der BGH hat sich der zutreffenden Auffassung angeschlossen, dass, wenn die Beteiligten einer selbstständigen Familiensache einen Vergleich unter Einbeziehung nicht anhängiger Verfahrensgegenstände (Mehrvergleich) schließen, der unbemittelte Beteiligte einen Anspruch auf Erweiterung der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auf sämtliche in diesem Zusammenhang ausgelöste Gebühren hat. Die durch Art. 3 I iVm Art. 20 III GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit im Vergleich zu Bemittelten wäre nicht gewährt, wenn trotz der Erweiterung der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss des Mehrvergleichs die dem beigeordneten Rechtsanwalt durch die Vornahme dieser Verfahrenshandlung nach den Regelungen des RVG erwachsenden Gebühren teilweise nicht von der Staatskasse getragen würden. Auch aus § 48 III RVG lasse sich nicht im Wege eines Umkehrschlusses ableiten, dass außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs nicht auf die Verfahrens- und Terminsgebühr erstreckt werden könne.
2021 landete die Rechtsfrage auch beim OLG Bamberg, Beschluss vom 10.06.2021 - Aktenzeichen 2 WF 61/21:
„Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 3 RVG ist es unerheblich, ob der Einigungsvertrag außergerichtlich oder im gerichtlichen Verfahren abgeschlossen wird. (…) Unerheblich ist ferner, ob die in § 48 Abs. 3 RVG genannten Regelungsgegenstände im Verfahren anhängig sind oder nicht. (…) Die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe und der Anwaltsbeiordnung tritt im Zeitpunkt des Abschlusses des Einigungsvertrages kraft Gesetzes ein, ohne dass ein Erstreckungsantrag notwendig ist.“
Ende 2021 entschied so auch das OLG Brandenburg:
"Die gemäß §§ 127 Abs. 2; 567 ff ZPO in Verbindung mit § 113 Abs. 1 FamFG zulässige sofortige Beschwerde ist insoweit begründet, als die begehrte Erstreckung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht gesondert auszusprechen ist, sondern kraft Gesetzes in dem Verfahrenskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren bewilligenden Beschluss vom 18.02.2021enthalten ist.
Der für eine Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt gilt gemäß § 48 Abs. 3 RVG auch als beigeordnet für den Abschluss eines Vertrags (im Sinne der Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses), sofern dieser eine/mehrere der in der Vorschrift genannten Regelungsbereiche betrifft, was hier der Fall ist. Es ist nicht erforderlich, dass diese Regelungsbereiche als Folgesachen bereits anhängig sind. Zweck der Vorschrift ist es, Beteiligten mit geringem Einkommen auch ohne einen ausdrücklichen Ausspruch in der Bewilligungsentscheidung die gleiche Möglichkeit zu verschaffen, eine Vereinbarung zu Scheidungsfolgen zu schließen, wie Beteiligten mit ausreichend hohem Einkommen und zugleich weitere Rechtsstreitigkeiten über die Scheidungsfolgen zu verhindern. Einer ausdrücklichen Beschlussfassung betreffend die Erstreckung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bedarf es dazu nicht [BGH, Beschluss vom 17.01.2018, XII ZB 248/16 Rz. 22; Götsche, jurisPR-FamR 8/2018 Anm. 4, Zöller/Feskorn, ZPO, 34. A., § 76 FamFG Rz. 27; jurisPK-BGB/T. Schmidt, 9. A., Kostenrechtl. Hinweise in Familiensachen Teil 17 Rz. 66; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2004, 10 WF 234/04 (zu einer früheren Fassung von § 48 RVG); sämtlich bei juris; vgl.: BT Drucks. 17/11471 S. 270].
Der Umfang der zu erstattenden Gebühren, der nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens bzw. der Grundentscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist, ergibt sich - worauf vorsorglich hingewiesen werden soll - ebenfalls aus § 48 Abs. 3 S. 1 RVG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 S. 2 RVG."
OLG Brandenburg, Beschluss v. 21.12.2021 - 9 WF 286/21
(Intern: 3181/20)