Kindesunterhalt bei hohem Einkommen

Bei 11.200 € Familieneinkommen wird der konkrete Bedarf ermittelt

Erklärvideo zur relativen Sättigungsgrenze nach BGH 2017

BGH 20.09.2023 zu Kindesunterhalt bei überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Barunterhaltspflichtigen

Die Mutter einer 2011 geborenen Tochter aus geschiedener Ehe hatte ab 2019 mtl. 4.500 € Kindesunterhalt beantragt. Der Bedarf sei so hoch, weil 1/3 der gemeinsamen teuren Wohnkosten allein mehr als 500 € betrage, das Kind teuren Reitsport betreibe und teure Urlaube angemessen seien. Die Mietwohnung von Mutter und Kind kostete 21 €/qm.

Der Vater hatte sich als „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt, sein offensichtlich über 11.000 EUR netto liegendes Nettoeinkommen wurde nicht näher thematisiert.

Der Vater hatte im Jahr 2018 160% des Mindestunterhaltes anerkannt – das war der damalige Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle.


Am 16.9.2020 hatte der BGH in einer anderen Sache - s.u. -entschieden, dass man die Tabelle rechnerisch fortschreiben könne, wenn der Unterhaltspflichtige mehr als 5.500 EUR bereinigtes Netto verdiente. Der in der DT 2020 ersichtliche höchste bezifferte Betrag sei nicht das Maximum. Bei höherem Elterneinkommen müsse sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht, so dass der Kindesunterhalt auch bei einem den höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Elterneinkommen im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten für seinen Unterhaltsbedarf nicht faktisch auf den für die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben werden dürfe (Senatsbeschluss BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 19 mwN).


Daraufhin erkannte der Vater 2021 im Verfahren 272% des Mindestunterhaltes an. Diesen Satz gab es in der DT 2021 nicht, aber man konnte ihn durch Fortschreibung selbst errechnen.


2022 war die Düsseldorfer Tabelle um Einkommensgruppen bis 11.000 € erweitert worden, was 200% des Mindestunterhaltes entsprach.


Daraufhin nahm er Vater sein Anerkenntnis zurück und wollte nur noch den neuen Höchstsatz von 200% zahlen.


Die Reitsport-Kosten wollte er gar nicht mittragen, da die Mutter allein über das teure, gefährliche und zeitraubende Hobby entschieden hatte, obwohl er gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht hatte.


Prozessual war zu klären, ob man im laufenden Verfahren nochmal hinter den Betrag zurückrudern kann, den man bereits anerkannt hatte. Das verneinten OLG und BGH. Wenn sich der Sachverhalt geändert hätte (niedrigeres Einkommen), wäre ein Widerruf zulässig gewesen, aber nicht, weil der Vater 2020 gedacht hatte, die Tabelle werde „unendlich“ fortgeschrieben und sie 2021 mit maximal 200% veröffentlicht wurde.


Ein Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO ist eine Verfahrenshandlung und kann deshalb grundsätzlich weder angefochten noch widerrufen werden (BGH Urteil vom 21. September 2021 - X ZR 33/20 - NJW-RR 2021, 1505 Rn. 22 mwN)


BGH: „Eine Änderung der Düsseldorfer Tabelle stellt für sich genommen nie eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse dar, die zur Abänderung eines Unterhaltstitels nach § 238 FamFG berechtigt. Die Düsseldorfer Tabelle ist keine Rechtsquelle und trotz ihrer erheblichen praktischen Bedeutung insbesondere kein Gewohnheitsrecht. Sie ist lediglich ein Hilfsmittel für die Bemessung des angemessenen Unterhalts iSd § 1610 BGB. Die in der Tabelle ausgewiesenen Richtsätze sind Erfahrungswerte, die den Lebensbedarf des Kindes - ausgerichtet an den Lebensverhältnissen der Eltern und an seinem Alter - auf der Grundlage durchschnittlicher Lebenshaltungskosten typisieren, um so eine gleichmäßige Behandlung gleicher Lebenssachverhalte zu erreichen (vgl. Klinkhammer in Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 2 Rn. 317). Eine Neufestsetzung der in der Düsseldorfer Tabelle festgelegten Bedarfssätze stellt für sich genommen auch keine Änderung der tatsächlichen Umstände dar, die die Abänderung eines Unterhaltstitels nach § 238 FamFG iVm § 323 ZPO rechtfertigen kann. Die Änderung der Werte der Düsseldorfer Tabelle trägt regelmäßig dem Umstand Rechnung, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl auf Seiten des Bedürftigen als auch auf Seiten des Verpflichteten infolge Änderung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse seit der letzten Festsetzung dieser Sätze gewandelt haben, und ist damit zugleich Ausdruck der Veränderung dieser tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Senatsurteil BGHZ 162, 234 = FamRZ 2005, 608, 609). Fortschreibungen der Düsseldorfer Tabelle bilden daher nur Änderungen der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ab, stellen aber selbst keine solche Änderungen dar.“

Eine fehlerhafte Beurteilung der Rechtslage (hier die Annahme, die Fortschreibung werde bis 272% in der höchsten Einkommensgruppe erfolgen) rechtfertigt nicht den Widerruf eines Anerkenntnisses.

Die Wirksamkeit des Anerkenntnisses wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Beschwerdegericht keinen (Teil-)Anerkenntnisbeschluss erlassen hat. Grundsätzlich behält ein Anerkenntnis seine Wirkung für das ganze Verfahren, unabhängig davon, ob streitig verhandelt worden ist. Sie bleibt daher auch dann bestehen, wenn kein Anerkenntnisbeschluss ergeht (vgl. Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88, 90).


Zu den Wohnkosten des Kindes:

Ob und in welchem Umfang aufgrund eines erhöhten Wohnbedarfs höhere Kosten auftreten, beurteilt sich in der Regel aus einem Vergleich der auf das Kind entfallenden tatsächlichen mit den in den Tabellenbedarf einkalkulierten Wohnkosten, die nach der Rechtsprechung des Senats üblicherweise mit jeweils 20 % des Tabellenbetrags pauschaliert werden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 213, 254 = FamRZ 2017, 437 Rn. 35).

Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass das Beschwerdegericht die Größe der Wohnung, die die Antragstellerin gemeinsam mit ihrer Mutter bewohnt, und den Mietpreis von 21 € pro Quadratmeter unter den hier maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsgegners für angemessen erachtet hat.

Da ein minderjähriges Kind neben seinem Kinderzimmer auch die weiteren Räume der Wohnung mitbenutzt, kann sein Anteil an den tatsächlichen Wohnkosten in der Regel regelmäßig nicht konkret beziffert, sondern nur im Wege der tatrichterlichen Schätzung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 287 ZPO) bewertet werden. Diese ist rechtsbeschwerderechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Beteiligten unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 201/19 - FamRZ 2021, 186 Rn. 32 mwN). Dabei wird eine tatrichterliche Schätzung, die sich bei einem Zweipersonenhaushalt zwischen der nach dem 13. Existenzminimumbericht der Bundesregierung für das Jahr 2022, dort unter 5.1.3, als angemessen angesehenen Wohnfläche von 12 m² für ein Kind (BT-Drucks. 19/22800 S. 8) und einer Obergrenze von 50 % der tatsächlichen Wohnfläche bewegt, regelmäßig keinen rechtsbeschwerderechtlichen Bedenken begegnen. Dabei wird regelmäßig die Zuweisung eines Drittels der Wohnfläche an das in einem Zweipersonenhaushalt lebende Kind durch die Tatrichter aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden sein. Maßgeblich sind jedoch stets die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, die gegebenenfalls eine Abweichung hiervon erforderlichen machen können. Soweit der Senatsentscheidung vom 29. September 2021 (XII ZB 474/20 - FamRZ 2021, 1965 Rn. 30, 33) etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat hieran nicht fest.

 

Zu den Mehrkosten Reitsport:

Die die für die Ausübung des Reitsports anfallenden monatlichen Kosten können unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf darstellen. Sind die Eltern - wie im vorliegenden Fall - gemeinsam sorgeberechtigt, kommt es nach § 1687 Abs. 1 BGB darauf an, ob es sich bei der betreffenden (kostenauslösenden) Maßnahme um eine solche mit erheblicher Bedeutung für das Kind handelt oder um eine Angelegenheit des täglichen Lebens. Im ersten Fall bedarf es des gegenseitigen Einvernehmens der Eltern (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB). Fehlt es hieran, sind die entstehenden Kosten grundsätzlich kein angemessener Unterhaltsbedarf des Kindes. Etwas anderes kann gelten, wenn sich die Zustimmungsverweigerung des mitsorgeberechtigten Elternteils als rechtsmissbräuchlich erweist (vgl. Staudinger/Klinkhammer BGB [2022] § 1610 Rn. 283).


Bei der Erlaubnis, den Reitsport auszuüben, kann es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung iSv § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln, die des gegenseitigen Einvernehmens der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bedarf. Jedenfalls hatte der BGH gegen diese Beurteilunmg des OLG aus Rechtsgründen nichts einzuwenden. Das Beschwerdegericht habe sich ausführlich mit den gesundheitlichen Gefahren befasst, die mit der Ausübung des Reitsports gerade auch bei Kindern und Jugendlichen verbunden sind. Dass es daraus den Schluss gezogen hat, die Aufnahme des Reitsports sei eine Entscheidung von erheblicher Bedeutung für das Kind, hält sich im Rahmen der tatrichterlichen Verantwortung.


Die Ausführungen des OLG, mit denen es das Vorliegen des Einvernehmens der Eltern verneint hat, beruhten hingegen auf einer nicht tragfähigen Begründung.


Das  gegenseitige Einvernehmen der sorgeberechtigten Eltern muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch konkludent erklärt werden (PWW/Ziegler BGB 18. Aufl. § 1687 Rn. 4). Deshalb kann ein Elternteil durch faktisches Handeln oder bloßes Gewährenlassen sein Einvernehmen in einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zum Ausdruck bringen (BeckOK BGB/Hau/Poseck [Stand: 1. Januar 2023] § 1687 Rn. 18). Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Einvernehmen sämtliche Einzelheiten betrifft. Ausreichend ist, dass sich die Eltern über eine Grundrichtung verständigen (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1042, 1043; Grüneberg/Götz BGB 82. Aufl. § 1687 Rn. 5).


Die Rechtsbeschwerde wies insoweit zu Recht darauf hin, dass der Antragsgegner in diesem Verfahren so vortragen ließ, dass man daraus auf ein grundsätzliches Einverständnis schließen könne. Er hatte lediglich den zeitlichen Umfang kritisiert und betont, dass Reiten ein Hobby als Ausgleich bleiben müsse und nicht als Karriere zu sehen sei.

Das OLG müsse daher prüfen, ob der derzeitige Umfang tatsächlich signifikant über den eines als Hobby betriebenen Reitsports  hinausgehe. Dann werde sich das Beschwerdegericht erneut mit der Frage befassen müssen, ob die Verweigerung der Zustimmung durch den Vater rechtsmissbräuchlich ist. Dabei wird es im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch zu berücksichtigen haben, ob sich die Ausweitung der reitsportlichen Aktivitäten möglicherweise positiv auf die persönliche Entwicklung der Antragstellerin auswirkt.


Im Ergebnis befand der BGH, dass die Kleidung, Wohnen und Urlaube mit den 272% vom Mindestunterhalt bezahlt werden können und gab das Verfahren zwecks Aufklärung beim Mehrbedarf „Reitsport“ zurück ans OLG.

 

BGH, Beschluss vom 20.09.2023 - XII ZB 177/22 

 


Auskunftspflicht auch bei über 11.200 EUR Einkommen

Der BGH-Beschluss vom 15. November 2017 änderte nicht nur die Einkommensgrenze, sondern auch die Auskunftspflicht und Darlegungslast.

Bisher genügte es, wenn ein gut verdienender Unterhaltspflichtiger sich für unbegrenzt leistungsfähig erklärt - der Unterhaltsberechtigte bezifferte dann seinen Bedarf, ohne je zu erfahren, wie viel genau der andere verdient.

Neu ist:
Durch die Erklärung, man sei "unbegrenzt leistungsfähig", entfällt der Auskunftsanspruch nicht mehr.

Aus den Gründen:
Eine Auskunftsverpflichtung besteht dann nicht, wenn feststeht, dass die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. (...) Die Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten bezieht sich auf die Umstände, die für die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs von Bedeutung sind. (...) Steht etwa ein konkreter Bedarf des Unterhaltsberechtigten unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen fest, so entfällt dadurch die Auskunftspflicht noch nicht. Denn der Auskunftsanspruch dient auch dazu, den Unterhaltsberechtigten in die Lage zu versetzen, sich ein Bild von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu machen und das Prozess- bzw. Verfahrensrisiko verlässlich einschätzen zu können.(...)Für den Auskunftsanspruch genügt die Möglichkeit, dass die Auskunft Einfluss auf den Unterhalt hat. Solange es mithin ohne Kenntnis von den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auskunftspflichtigen nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Auskunft nach den ausgeführten Maßstäben für die Bemessung des Unterhalts benötigt wird, bleibt es bei der vollumfänglichen Auskunftspflicht. Diese entfällt erst, wenn die Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf den Unterhalt haben kann und daher offensichtlich nicht mehr unterhaltsrelevant ist.(...) Erklärt sich der auf Auskunftserteilung in Anspruch genommene Unterhaltspflichtige für "unbegrenzt leistungsfähig", so ist einer solchen Erklärung regelmäßig zu entnehmen, dass er darauf verzichtet, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu erheben (Senatsurteil vom 22. Juni 1994 - XII ZR 100/93 - FamRZ 1994, 1169, 1171). Damit ist er im Rahmen der (aktuellen) Unterhaltsfestsetzung an der Erhebung dieses Einwands gehindert, so dass das Gericht den Unterhalt grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen festzusetzen hat. Dieser Aspekt bezieht sich indessen nur auf die Leistungsfähigkeit. Damit steht noch nicht fest, dass auch der Unterhaltsbedarf ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden kann.

(...) Der Bedarf bemisst sich beim nachehelichen Unterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Die ehelichen Lebensverhältnisse richten sich wiederum vorwiegend nach dem vorhandenen Familieneinkommen. Der Unterhalt wird dementsprechend in der Praxis bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen in den weitaus meisten Fällen nach einer Quote des Gesamteinkommens der Ehegatten bemessen. Bei dieser Methode wird im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgegangen, dass im Wesentlichen das gesamte Einkommen zu Konsumzwecken verbraucht wird. Dieses wird daher auch bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach dem Halbteilungsgrundsatz (für Einkommen aus Erwerbstätigkeit modifiziert um einen Erwerbsanreiz) im Ergebnis hälftig auf beide Ehegatten verteilt.

Die Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen allerdings nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist. Dieser Darlegungslast für seinen Unterhaltsbedarf kann der Unterhaltsberechtigte auf die Weise genügen, dass er den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) konkret vorträgt.
 
Gleichwohl bleibt das Einkommen auch dann ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Darlegung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Denn auch in diesen Fällen kann der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf im Wege der Quotenmethode ermitteln. Allerdings muss er dann mangels tatsächlicher Vermutung für den vollständigen Verbrauch der Einkünfte zu Konsumzwecken zusätzlich vortragen, dass und in welchem Umfang die hohen Einkünfte zur Deckung der ehelichen Lebensverhältnisse verwendet worden sind. Wenn der Unterhaltsschuldner dem substantiiert widerspricht, bleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten auch für den vollständigen Verbrauch dieser Einkünfte zu Konsumzwecken.

Soweit der Senat in diesen Fällen stets eine konkrete Darlegung des Unterhaltsbedarfs für notwendig erachtet hat, hält er daran nicht fest.

BGH-Beschluss 15.11.2017 - XII ZB 503/16



Düsseldorfer Tabelle ab 2022 hat 5 Einkommensgruppen mehr

Neu ab 2020 war, dass die Tabelle fortgeschrieben werden kann (BGH 16.09.2020 - XII ZB 499/19).


Ab 2022 hat die DT 5 Einkommensgruppen mehr.


Er­klärt sich ein Vater hin­sicht­lich des Kin­des­un­ter­halts für "un­be­grenzt leis­tungs­fä­hig", ist er sei­nem Kind ge­gen­über den­noch zur Aus­kunft über sein Ein­kom­men ver­pflich­tet. Eine rechnerische Fort­schrei­bung des Be­darfs ist nicht mehr aus­ge­schlos­sen. Das hat der Bun­des­ge­richts­hof mit Be­schluss vom 16.09.2020 ent­schie­den und damit teil­wei­se seine bis­he­ri­ge Recht­spre­chung auf­ge­ge­ben, nach der die Düsseldorfer Tabelle mit den pauschalen bei einem Einkommen von 5.500 € endete und danach nur noch konkreter Mehrbedarf geltend gemacht werden konnte. Konsequent geht der Senat davon aus, dass die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Auskunftserteilung und Belegvorlage erst entfalle, wenn die Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf den Unterhalt haben könne und daher offensichtlich nicht mehr unterhaltsrelevant sei.

Der Fall:

Eine Schülerin verlangte von ihrem Vater Auskunft zu seinem Einkommen zwecks Zahlung von Kindesunterhalt. Er hatte sich für "unbegrenzt leistungsfähig" erklärt und 160% tituliert. Er war Geschäftsführer eines Verlags und weiterer Gesellschaften.

Das OLG München verpflichtete ihn dennoch zur Auskunft.


Der BGH:


Die Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Das OLG München sei zu Recht davon ausgegangen, dass eine Auskunftsverpflichtung des Vaters nach § 1605 BGB bestehe. Durch den Umstand, dass sich der Unterhaltspflichtige für "unbegrenzt leistungsfähig" erklärt hat, steht aus Sicht der Bundesrichter lediglich fest, dass das Gericht den Unterhalt grundsätzlich ohne Rücksicht auf dessen Leistungsfähigkeit festzusetzen hat. Dies bedeute nicht, dass der Unterhaltsbedarf auch ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden könne.


Eine über die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte hatte der XII. Zivilsenat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht für sachgerecht gehalten und bei hohen Einkommen stattdessen grundsätzlich eine konkrete Bedarfsermittlung verlangt. An dieser Auffassung hält der BGH nicht mehr uneingeschränkt fest.


Das Kind leitet aus Sicht des BGH seinen Lebensstandard von den Eltern ab, ohne dass es an diesem tatsächlich teilgenommen haben muss. Einen Anspruch auf Teilhabe am Luxus der Eltern habe es dagegen nicht. Der Unterhalt werde durch das "Kindsein" geprägt.

Laut BGH wird diese Grenze durch eine an der neueren Rechtsprechung des Senats zum Ehegattenunterhalt ausgerichtete Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle noch nicht berührt. Aus Sicht des Familiensenats lässt sich der Unterhalt, basierend auf dem konkreten Einkommen des Vaters, nunmehr aus der der möglichen Fortschreibung des Tabellenbedarfs über den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle ermitteln.

Das OLG habe im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass auch ein Mehrbedarf (zum Beispiel Hortkosten) in Rede stehe, bezüglich dessen sich der Ex-Mann auf eine anteilige Mithaftung der Kindesmutter berufen habe. Insoweit bedürfe die Tochter der Einkommensauskunft, um die mögliche - in ihre Darlegungslast fallende - Haftungsquote berechnen zu können.


Bei der „Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle“ ist nach Auffassung des Senats zu beachten, dass die Steigerungssätze der Düsseldorfer Tabelle keine quotenmäßige, gar lineare, Beteiligung des Unterhaltsgläubigers am Einkommen des Unterhaltsschuldners beinhalten. Die Quote des Kindesunterhalts bezogen auf das Elterneinkommen nimmt also nach der Tabelle stetig degressiv ab. Eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle würde also nur zu moderaten einkommensabhängigen Steigerungen des Kindesunterhalts führen. In der Praxis dürfte es aber bei Familieneinkommen über 11.000 € eher so sein - jedenfalls in intakter Familie - dass der Bedarf der Kinder um erhebliche Positionen steigt. Das wäre dann konkret darzulegen, so dass die BGH-Wende an diesen Fällen nichts ändert.


BGH, Beschluss vom 16.09.2020 - XII ZB 499/19:

1. Ein Auskunftsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil entfällt nicht allein aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei „unbegrenzt leistungsfähig“.

2. Eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin (zurzeit) ausgewiesenen Einkommensbetrags ist nicht ausgeschlossen.

3. Übersteigt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen diesen Betrag, bleibt eine Einkommensauskunft bei Geltendmachung eines neben dem Tabellenbedarf bestehenden Mehrbedarfs erforderlich, um die jeweilige Haftungsquote der Eltern bestimmen zu können.



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