Vaterschafts-Anfechtung

Wer kann wie lange das rechtliche Vater-Kind-Band lösen?

Die Vaterschaft anfechten können:
1. der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2. der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat,
3. der Mann, der eidesstattlich versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (sog. „biologischer Vater"), 4. die Mutter und   5. das Kind.

Anfechtungsfrist: 2 Jahre

Für die Anfechtung der Vaterschaft gibt es eine Frist von zwei Jahren, die frühestens mit der Geburt des Kindes beginnt. Die Frist ist vom Gericht objektiv zu prüfen und kann nicht von den Beteiligten einvernehmlich verlängert werden.

Sie läuft für jeden Anfechtungsberechtigten ab dem Zeitpunkt, ab dem er Kenntnis von den Umständen hat, die gegen die Vaterschaft sprechen. Das Kind kann auch nach Erreichen der Volljährigkeit die Vaterschaft selbst noch anfechten.
Die Feststellung, dass jemand nicht der wirkliche Vater ist, kann nur durch ein Gericht erfolgen. Sie führt zwangsläufig zur Beendigung aller rechtlichen Beziehungen (Unterhaltspflichten, Erbrecht) zwischen dem Kind und dem Vater.

Für den biologischen Vater gelten Einschränkungen, wenn das Kind in einer Ehe lebt.

Ist die Frist verpasst, die Vaterschaft anzufechten, bleibt es bei einer falschen Vaterschaft! Die Frist muss vom Gericht "von Amts wegen" beachtet werden. Es ist daher der Fall denkbar, dass sowohl Mutter als auch der rechtliche Vater darüber einig sind, dass die falsche Vaterschaft aufgelöst werden soll. Ist aber die Frist verpasst, geht das nicht mehr - erst wieder, wenn das Kind volljährig ist und selbst innerhalb seiner Frist anficht!

  • Frist verpasst: Trotz Kondom ist Zweifel angebracht

    Im Fall des BGH fiel einer Ehefrau nach der Scheidung ein, dass das eheliche Kind möglicherweise einen anderen Vater habe. Sie focht die Vaterschaft des Ex-Ehemannes an.


    Das Kind war da schon vier Jahre alt, also war ihre Zweijahresfrist ab Geburt vorbei. Bei der Fristenfrage kommt es stets darauf an, ab wann der Anfechtende ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft hätte haben müssen:


    „Zu den Umständen, deren Kenntnis die Anfechtungsfrist in Lauf setzt, gehört regelmäßig bereits ein einmaliger außerehelicher Geschlechtsverkehr der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit, und zwar auch dann, wenn der Ehemann innerhalb dieser Zeit der Kindesmutter ebenfalls beigewohnt hat und es den Umständen nach nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Kind aus der außerehelichen Beiwohnung stammt. Insbesondere setzt der Beginn der Anfechtungsfrist nicht voraus, dass aufgrund der dem Anfechtenden bekannten Umstände die Vaterschaft eines Dritten wahrscheinlicher ist als die des Ehemannes (…).“


    Bis zum BGH ging der Fall, in dem es letztlich um die Rechtsfrage ging, wie sicher Verhütung mit Kondom statistisch ist. Beim Geschlechtsverkehr mit dem anderen Mann hatte die Ehefrau sich nämlich mit einem Kondom geschützt.


    Der BGH betonte, dass die Kenntnis von einem außerehelichen Geschlechtsverkehr der Kindesmutter während der Empfängniszeit die Anfechtungsfrist nicht immer in Lauf setze. Vielmehr müsse sich aus dem außerehelichen Geschlechtsverkehr die nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem Dritten ergeben. Dabei ist auf die Sicht eines verständigen Betrachters abzustellen.


    Ein verständiger Betrachter müsse bei der Benutzung eines Kondomes aber damit rechnen, dass entgegen der Absicht eine Schwangerschaft eintrete:


    „Insoweit hat der Senat bereits darauf hingewiesen, es sei allgemein bekannt, dass die Zuverlässigkeit der Empfängnisverhütung mit Kondomen deutlich geringer sei, als die anderer Verhütungsmittel wie etwa der „Pille“. Er hat darauf Bezug genommen, dass nach dem sog. „pearl-Index“ bei regelmäßiger Verwendung von Kondomen zwei bis zwölf von 100 Frauen innerhalb eines Jahres schwanger werden, gegenüber der deutlich höheren Sicherheit bei Einnahme der „Pille“ (…). Zwar könne die Kenntnis der Größenordnung dieser Versagungsquoten nicht allgemein vorausgesetzt werden; eine ungefähre Vorstellung von diesem Risiko müsse aber zum allgemeinen Wissen gezählt werden (…). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Das Versagungsrisiko von Kondomen liegt im Wesentlichen in der fehlerhaften Anwendung begründet. Das wird nicht nur in der gesundheitlichen Aufklärung (…) besonders betont, sondern ist (…) regelmäßig bekannt. Da auf die objektive und vollständige Beurteilung abzustellen ist, kommt es auf den individuellen Bildungsstand des Anfechtungsberechtigten nicht entscheidend an (…)“



    Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11.12.2013 (XII ZR 58/12)


  • Heimliche Abstammungstests sind vor Gericht nutzlos

    Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Verwertung heimlich eingeholter Abstammungsgutachten nicht zulässig ist, da ein solches Gutachten das Recht des betroffenen Kindes auf informelle Selbstbestimmung verletzt. Ohne Zustimmung der Kindesmutter zu einem genetischen Abstammungsgutachten wäre damit die reine Feststellung der Vaterschaft faktisch unmöglich geworden.

  • Kann man ein Gutachten erzwingen?

    Als Lösung für diese missliche Situation hat der Gesetzgeber 2008 ein Gesetz verabschiedet, mit dem dem gesetzlichen Kindesvater, ebenso wie dem Kind selbst und der Mutter, die reine Feststellung der Vaterschaft ermöglicht wird. Dadurch besteht ein Anspruch auf Durchführung eines Abstammungsgutachtens. Ergibt das Gutachten, dass der gesetzliche Vater nicht der biologische Vater des Kindes ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass seine Vaterschaft zu diesem Kind aufgehoben ist. Wenn ein solches Ergebnis erreichen werden soll, muss weiterhin ein Anfechtungsverfahren eingeleitet werden. Darauf kann aber auch verzichtet werden.

  • OLG Hamm 2013: Wer die Anfechtung verpasst, schuldet Unterhalt

    1996 wurde das Kind ehelich geboren, die Ehe wurde geschieden und die Mutter heiratete neu: den biologischen Vater. Warum der erste Ehemann die Vaterschaft nicht anfocht, ist unklar, denn alle wussten, dass er nicht der Erzeuger des Kindes war.


    Das Kind lebt jetzt in der neuen Ehe der Mutter mit seinem leiblichen Vater und akzeptiert nur diesen Vater. Den früheren Ehemann der Mutter, der auf dem Papier Vater ist, „ignoriere“ das Kind. Deshalb fand der rechtliche Vater, seine Inanspruchnahme auf Unterhalt sei „treuwidrig“. Die Vaterschaft anfechten konnte er nicht mehr, da die Frist längst abgelaufen war. Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB gilt als Vater, wer zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Ist der rechtlich zugeordnete Vater nicht der leibliche Vater, kann er die Vaterschaft nach der Geburt des Kindes innerhalb von zwei Jahren gerichtlich anfechten, wobei die Frist gem. § 1600b BGB mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem er von den Umständen erfährt, die gegen seine Vaterschaft sprechen.


    Dem Argument „treuwidrig“ folgte das OLG Hamm nicht. Die rechtliche Vaterschaft wirke für und gegen alle. Dabei sei es gleichgültig, ob zwischen allen Beteiligten unstreitig sei, dass der rechtliche Vater nicht der leibliche Vater sei.


    Deswegen könne sich der rechtliche Vater nur und erst dann auf die Vaterschaft eines anderen Mannes berufen, wenn die gesetzliche Vermutung seiner Vaterschaft aufgrund einer gerichtlichen Vaterschaftsanfechtung beseitigt sei. Diese gerichtliche Klärung sei unverzichtbar, selbst wenn unter den Beteiligten kein Streit darüber bestehe, wer der leibliche Vater sei.


    Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 20.11.2013 -  2 WF 190/13

  • BGH 15.11.2017: Trotz Beziehung zum Kind keine rechtliche Vaterschaft

    a) Bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater ist der Antrag des leiblichen Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft stets unbegründet (Fortführung von Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 525/16 - zur Veröffentlichung bestimmt und Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 ).

    b) Eine Auslegung des Gesetzes dahin, dass die Anfechtung dennoch möglich sei, wenn der leibliche Vater seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe, ist nicht zulässig.

    c) Das mit einer bestehenden sozial-familiären Beziehung einhergehende Elternrecht des rechtlichen Vaters ist auch in dieser Konstellation gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterstellung erlangen zu können, vorrangig (im Anschluss an BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816 und Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 ).

     

    BGH - Beschluss vom 15.11.2017 (XII ZB 389/16)


    Vorinstanz: OLG Hamm, vom 13.07.2016 - II-12 UF 51/16


    Der Fall:


    Eine Mutter hat zwei Kinder mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet ist. Nennen wir ihn Mann 1. Sie hat sowohl mit diesem eine on-off-Beziehung als auch später mit einem anderen Mann, Mann 2.


    Das ganze scheint etwas durcheinander.


    Mann 2 zeugt ein drittes Kind, Mann 2 heiratet sie sogar später. Mann 1 hatte aber mit ihrer Zustimmung die Vaterschaft für das dritte Kind anerkannt (während diese beiden gerade zusammen waren), Mann 1 hat auch zu allen Kindern ein Umgangsrecht.


    Inzwischen ist sie aber mit Mann 2 verheiratet, lebt mit ihm zusammen, und der möchte gern rechtlicher Vater für das von ihm gezeugte Kind 3 sein.


    Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass neben dem rechtlichen auch der leibliche Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind hat. Nach der Einschätzung des Verfahrensbeistands hatten beide Väter eine vertrauensvolle Beziehung zum Kind.


    Aus den Gründen:


    b) Das Anfechtungsbegehren des leiblichen Vaters ist nach § 1600 Abs. 2 BGB nur begründet, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat. Darauf, ob auch zwischen leiblichem Vater und Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht, kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht an.


    aa) Für eine einschränkende Auslegung der Norm besteht entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts keine Möglichkeit. Dass eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater, wie das Oberlandesgericht meint, einer Anfechtung durch den leiblichen Vater dann nicht entgegenstehe, wenn dieser seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe, findet im Gesetz keine Grundlage und ergibt sich insbesondere nicht aus einer historischen oder teleologischen Auslegung.


    (1) Die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater ist durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 598 ) eingeführt worden. Der Gesetzgeber kam damit einer Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach, die dieses in seiner Entscheidung vom 9. April 2003 (BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816 ) getroffen hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte § 1600 BGB in der seinerzeit gültigen Fassung für insoweit mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, als er den leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos von der Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung ausschloss. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stehe. Leiblicher Vater eines Kindes zu sein, mache diesen zwar allein noch nicht zum Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG . Die Grundrechtsnorm schütze den leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen. Dieser Schutz vermittle ihm kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten. Ihm sei jedoch vom Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegenstehe und festgestellt werde, dass er der leibliche Vater des Kindes sei (BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816 , 818).


    (2) Damit hat das Bundesverfassungsgericht den verfassungsrechtlich gebotenen Rahmen einer gesetzlichen Neuregelung bereits dahin vorgegeben, dass das Anfechtungsrecht gesetzlich zu gewährleisten ist, wenn keine familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater besteht. Dass sich die Begründung insoweit nicht nur auf den rechtlichen Vater, sondern auf beide rechtlichen Eltern bezieht, ist schon deshalb nicht ausschlaggebend, weil für die Anfechtung der Vaterschaft das Bestehen oder Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Mutter nicht erheblich sein kann. Dementsprechend stellt das Gesetz auch nicht auf eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes mit seinen rechtlichen Eltern, sondern nur auf eine solche mit seinem rechtlichen Vater ab. Denn auch für das Elternrecht des rechtlichen Vaters kommt es nicht darauf an, ob dieser in familiärer Gemeinschaft mit der Mutter lebt oder nicht. Nach der Trennung von der Mutter bleibt er unverändert Träger des Elternrechts. Geht das Elternrecht des rechtlichen Vaters mit einer bestehenden sozial-familiären Beziehung einher, ist es auch in dieser Konstellation gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen Vaters, in die rechtliche Vaterstellung einrücken zu können, vorrangig. Daran hat sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien bewusst orientiert (BT-Drucks. 15/2253 S. 11).


    (3) Dem entspricht es zudem, dass das Kind nicht selten eine sozial-familiäre Beziehung auch zu seinem leiblichen Vater haben kann, sei es, dass dem leiblichen Vater - wie vom Bundesverfassungsgericht seinerzeit zugleich entschieden worden ist - aufgrund einer früheren sozial-familiären Beziehung ein Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 2 BGB zusteht, sei es, dass er nach § 1686 a BGB erstmals Umgangskontakte mit seinem leiblichen Kind erwirken kann (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 212, 155 = FamRZ 2016, 2082 Rn. 19 ff.). In diesen Fällen kann der leibliche Vater auch neben dem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind aufbauen, ohne dass ihm dies zugleich die Anfechtung eröffnen würde. Die vom Oberlandesgericht hier weiter aufgestellte Voraussetzung, zwischen dem leiblichen Vater, der Mutter und dem Kind müsse zusätzlich eine familiäre Beziehung bestehen, würde hingegen letztlich die sozial-familiäre Beziehung zur Mutter den Ausschlag geben lassen. Das würde aber sowohl dem Elternrecht des rechtlichen Vaters als auch der gesetzlichen Systematik in § 1600 Abs. 2 und 3 BGB widersprechen, die nur auf die Übernahme tatsächlicher Verantwortung für das Kind abstellt, nicht aber auf das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung des rechtlichen Vaters zur Mutter. Der Mutter steht ohnedies ein eigenes Anfechtungsrecht zu, das selbst von einer bestehenden sozial-familiären Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater nicht gehindert wird. Von diesem hat die Kindesmutter, die vor dem Amtsgericht der Vaterschaftsanfechtung ausdrücklich widersprochen hat, im vorliegenden Fall keinen Gebrauch gemacht.


    bb) Die wortlautgetreue Gesetzesanwendung entspricht somit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Dafür, dass der Gesetzgeber darüber hinausgehen und dem leiblichen Vater weitergehende Rechte einräumen wollte, als dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Blick auf die widerstreitenden Grundrechtspositionen von rechtlichem und leiblichem Vater geboten war, ist nichts ersichtlich (ebenso BeckOGK BGB/Reuß [Stand: 1. Juli 2017] § 1600 Rn. 84 mwN). Die Regelung in § 1600 Abs. 2 BGB ist somit ihrem Wortlaut entsprechend als bewusste gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren. Die Frage, ob die bestehende gesetzliche Regelung auch zukünftig noch rechtspolitisch wünschenswert erscheint oder ob den Interessen des leiblichen Vaters ein höherer Stellenwert gebührt, fällt schließlich in die alleinige Zuständigkeit des Gesetzgebers (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 525/16 - zur Veröffentlichung bestimmt).


    c) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Neuregelung ergeben sich nicht. Der Gesetzgeber hat sich bei der Gesetzesfassung an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert, die dieses aus einer grundrechtlichen Bewertung der Interessenlage der Beteiligten entwickelt hat. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner nachfolgenden Rechtsprechung die gesetzliche Regelung nicht beanstandet (BVerfG FamRZ 2015, 817 f. mwN; vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 525/16 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN).


    Die Gesetzeslage ist schließlich auch mit Art. 8 EMRK vereinbar (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 817 ; Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 525/16 - zur Veröffentlichung bestimmt). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die vom deutschen Gesetzgeber getroffene Entscheidung als im Rahmen des nationalen Beurteilungsspielraums zulässig angesehen (vgl. etwa EGMR Urteil vom 22. März 2012 - 45071/09 - [...] Rn. 64 ff.; EGMR FamRZ 2014, 1257 und FamRZ 2016, 437 ). Zwar lag den Entscheidungen noch kein Fall wie der vorliegende zugrunde, in dem das Kind zu dem leiblichen wie dem rechtlichen Vater zugleich in einer sozial-familiären Beziehung steht und zudem mit dem leiblichen Vater und der Mutter zusammenlebt. Auch insoweit liegt es aber im Rahmen des nationalen Beurteilungsspielraums, dass der deutsche Gesetzgeber die Beseitigung der rechtlichen Abstammung als Statusbeziehung aus Gründen der Rechtssicherheit an geeignete generelle Kriterien geknüpft und eine offene, zeitlich nicht fixierte Abwägung der beiderseitigen Interessen des leiblichen und des rechtlichen Vaters nicht vorgesehen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 , 540). Den gleichwohl anzuerkennenden Interessen des leiblichen Vaters an einem familiären Leben mit seinem Kind (vgl. EGMR FamRZ 2011, 269 Rn. 61 und FamRZ 2011, 1715 , 1716) ist dann auf andere Weise Rechnung zu tragen, wie dies der Gesetzgeber durch die Gewährung eines Umgangsrechts des leiblichen Vaters in § 1686 a BGB umgesetzt hat.


    BGH - Beschluss vom 15.11.2017 (XII ZB 389/16)

  • Kuckuckskind: Mutter muss möglichen Vater nicht benennen

    „Scheinväter“ sind nicht leiblich mit dem Kind verwandt, aber rechtlich verantwortlich, weil sie z.B. mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet sind. Wenn ihre fehlende leibliche Vaterschaft erst später auffällt, haben sie Unterhalt für ein „fremdes“ Kind geleistet und damit den biologischen Vater entlastet. Daraus entsteht ein Schadenersatzanspruch gegen den biologischen Vater.


    Wurde die Vaterschaft erfolgreich angefochten und zur Vorbereitung eines Unterhaltsregresses, muss die Mutter den Namen des Mannes nennen, der für das Kind als Vater in Frage kommt.


    Im Fall des BGH waren die Parteien nicht verheiratet, aber der Mann hatte das Kind als seines beim Jugendamt frewillig anerkannt, weil er der Mutter gegalubt hatte, er sei der biologische Vater. Da sich die Parteien inzwischen getrennt hatten, zahlte er an die Mutter insgesamt 4.575 € Kindes- und Betreuungsunterhalt.


    Als sich später mit einem Vaterschaftstest herausstellte, dass er nicht biologischer Vater war, focht er die rechtliche Vaterschaft erfolgreich an. Dadurch gingen die Unterhaltsansprüche gegen den leiblichen Vater nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB in Höhe des geleisteten Unterhalts auf den Mann über. Er konnte dies aber faktisch nicht durchsetzen, weil ihm der leibliche Vater nicht bekannt war. Die Mutter kannte ihn.


    Bis zum BGH bekam der Mann recht: Die Mutter musste ihm Auskunft geben. Die Familiengerichte, OLG´s bis hin zum BGH hatten den Auskunftsanspruch aus einer Allgemeinklausel „Treu und Glauben“ hergeleitet. 


    Das Verfassungsgericht kippte dies:


    So geht es nicht, sagt das BVerfG, wegen der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung. Solange der Gesetzgeber die Lücke nicht schließt, wiegt das Grundrecht der Mutter schwerer. Immerhin geht es bei ihr um die Intimsphäre. Die Richter des OLG Schleswig waren davon ausgegangen, dass ja ohnehin klar gewesen sei, dass die Mutter mit einem anderen Mann Sex gehabt habe - da sei die Nennung des Namens kein zusätzliches intimes Geheimnis. Diese Bewertung halten die Richter des BVerfG für unzureichend.


    Damit ist das BGH-Urteil vom 9.11.2011 (XII ZR 136/09) überholt.


    BVerfG, Beschl. v. 24.02.2015, Az. 1 BvR 472/14

  • Darf der Samenspender die Vaterschaft erkämpfen?

    Der BGH hat am 15. Mai 2013 über die Reichweite des Rechts des sogenannten biologischen Vaters zur Anfechtung der Vaterschaft in Fällen einer Samenspende verhandelt und ein Anfechtungsrecht des Mannes bejaht, der einem lesbischen Paar seine Samenflüssigkeit in einem Gefäß zur Verfügung gestellt hatte.


    BGH vom 15. Mai 2013 - XII ZR 49/11


    Nicht ohne weiteres übertragbar ist diese Entscheidung auf anonyme Samenspenden durch Vermittlung einer Samenbank.

  • Darf der gesetzliche Vater nach Samenspende anfechten?

    Im Fall des OLG Oldenburg wollte der Ehemann der Mutter die Vaterschaft des Kindes anfechten, weil er zeugungsunfähig sei und die Mutter sich heimlich habe künstlich befruchten lassen. Allerdings kam im Verfahren heraus, dass er mit der künstlichen Befruchtung sehr wohl einverstanden gewesen war. Daher konnte er seine gesetzliche Vaterschaft nicht anfechten. Der Gesetzgeber habe in Fällen, in denen sich Eheleute bewusst für die Zeugung eines Kindes durch künstliche Fremdsamenübertragung entscheiden, die Anfechtung ausgeschlossen. Die Eltern übernehmen eine besondere Verantwortung für das auf diese Weise gezeugte Kind und dürften nicht im Nachhinein über die zuvor einvernehmlich getroffene Wahl der Fremdzeugung ihre elterliche Verantwortung wieder aufheben lassen.


    Etwas anderes gelte nur dann, wenn es sich nicht um eine künstliche Befruchtung handele, sondern der Geschlechtsakt mit dem Samenspender tatsächlich vollzogen worden sei.


    Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 30.06.2014 - 11 UF 179/13



  • BVerfG 19.4.2016: DNA-Probe nicht ins Blaue hinein

    Abstammungsinteresse gegen Privatsphäre


    Besonders kompliziert wird das Familienrecht in Sachen Vaterschaft. Da gibt es den rechtlichen Vater, den biologischen Vater, den sozialen Vater und den Putativvater.    

    Putativvater ist ein Mann, von dem jemand denkt, der sei der leibliche Vater, ohne dass es dafür bisher einen Beweis gibt. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich damit auseinander zu setzen, ob man diesen Beweis erzwingen kann.             

    Seit 2008 gibt es dafür § 1598a BGB. Nun kann man aber nicht zu jedermann hingehen und die Entnahme einer genetischen Probe verlangen, sondern es muss zwischen Kind und dieser Person eine rechtliche Beziehung bestehen. Dieser Paragraph hilft also nur, wenn es sich schon um den rechtlichen Vater handelt und aufgeklärt werden soll, ob dieser überhaupt der biologische Vater ist.

    Ein generelles Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gibt es dagegen nicht. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts soll das auch so bleiben.             

    Abzuwägen war das Grundrecht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen das Persönlichkeitsrecht des Putativvaters, seine Sexualkontakte geheim halten zu dürfen.           

    Die Entscheidung: Der Schutz der Intimsphäre geht dem Abstammungsinteresse vor.      

    Bestehende Familien könnte es erheblich belasten, wenn Außenstehende ohne nähere Voraussetzung einen Abstammungstest verlangen könnten. Bereits der damit aufkommende Verdacht einer außerehelichen Beziehung und eines unbekannten Kindes würde das Vertrauen und damit die familiäre Beziehung stören. Wegen dieser weitreichenden Folgen lehnte das BVerfG Abstammungstests „ins Blaue“ hinein ab.          

    Darüber hinaus sehen die Karlsruher Richter dafür auch keine Notwendigkeit. Denn aus ihrer Sicht ermöglicht die aktuelle Gesetzeslage auch die Abstammungsklärung im Wege der Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d BGB. Diese ist möglich, sofern keine rechtliche Vaterschaft besteht. Dieses Vorgehen war der Klägerin aber im konkreten Fall jedoch nicht mehr möglich. Denn sie hatte bereits in den 50er-Jahren ein entsprechendes Verfahren gegen ihren mutmaßlichen Vater erfolglos geführt.


    (Bundesverfassungsgericht, Urteil v. 19.04.2016, Az.: 1 BvR 3309/13)

  • Mann besorgt Fremdsperma für seine Freundin und muss Unterhalt für das Kind zahlen, ohne Vater zu sein

    Eher exotisch dürfte folgender Sachverhalt sein:


    Ein unfruchtbarer Mann hatte für seine Freundin Fremdsperma besorgt. Beide begaben sich zum Hausarzt, der den Mann handschriftlich notieren ließ (auf einem "Notfall-/Vertretungsschein"): "Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!".  Nicht bei dieser Insemination, aber bei einer späteren wurde die Freundin schwanger. Bis zur Geburt hatte das Paar sich aber getrennt. Dieser Mann war nun weder Erzeuger noch rechtlicher Vater. Er hatte die Vaterschaft auch nicht anerkannt. Dennoch hatte ihn das OLG Stuttgart hatte ihn zu Unterhaltszahlungen an das Kind verurteilt und der BGH bestätigte die Entscheidung.


    Es liege ein Vertrag zu Gunsten Dritter vor, woraus sich  für den Mann gegenüber dem Kind die Pflicht ergibt, „wie ein rechtlicher Vater“ für dessen Unterhalt zu sorgen. Die Einwilligung des Mannes habe sich auf die auf die Begründung einer der Vaterschaft entsprechenden Verantwortung gerichtet. Sie entspreche insoweit der Einwilligung in eine künstliche Befruchtung im Sinn von § 1600 Abs. 5 BGB, welche die Anfechtung der Vaterschaft durch einen rechtlichen Vater und die Mutter ausschließt. Die Erklärung des Mannes bedarf nach Auffassung des Bundesgerichtshofs keiner besonderen Form, was der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers in § 1600 Abs. 5 BGB entspricht. Ein Schutz vor übereilten Erklärungen ist in diesem Zusammenhang vom Gesetz nicht vorgesehen und kann auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen hergeleitet werden. Im Unterschied zur (jeweils formbedürftigen) Anerkennung der Vaterschaft oder Adoption geht es hier nicht um die Übernahme der väterlichen Verantwortung für ein existierendes Kind. Vielmehr führt erst die Einwilligung des Mannes dazu, dass das Kind gezeugt und geboren wird. Weil dies dem Mann bei seiner Einwilligung auch bewusst ist, hat er wie ein rechtlicher Vater für den Unterhalt des Kindes einzustehen.


    BGH vom 23.09.2015 - XII ZR 99/14

Verfassungsbeschwerde eines biologischen Vaters läuft

Vor dem BVerfG läuft unter 1 BvR 2017/21 die Verfassungsbeschwerde eines leiblichen Vaters, der nicht rechtlicher Vater werden kann, weil sein Kind mit dem Ehemann der Mutter als Familie zusammenlebt.


§ 1600 Abs. 2 und Abs. 3 BGB sehen vor, dass das Vaterschaftsanfechtungsrecht des – feststehend – biologischen Vaters ausnahmslos ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem Kind und dem gesetzlichen Vater im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im familiengerichtlichen Verfahren eine sozialfamiliäre Beziehung besteht. In einem solchen Fall bleibt das Begehren des biologischen Vaters, auch rechtlicher Vater des Kindes zu werden, immer erfolglos, auch wenn er selbst auch eine Beziehung zu seinem leiblichen Kind hat.
 

Am 26.9.2023 wurde in der Sache mündlich verhandelt und es kamen psychologische und familienrechtliche Sachverständige angehört. Laut Presseberichten interessierte sich das Gericht für Erkenntnisse der Bindungsforschung. In Betracht kommt neben einer Bestätigung des Status Quo eine Aufwertung des leiblichen Vaters, aber auch die Möglichkeit, die rechtliche Elternschaft über zwei Personen hinaus zu erweitern. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.



Vaterschafts-Anerkennung nach Scheidungsverfahren
Schwanger im Trennungsjahr?
Geburt zwischen Trennung und Scheidung

Ein Kind, das während rechtlichen Bestehens einer Ehe zur Welt kommt, ist ehelich - auch wenn allseits bekannt ist, dass der Ehemann nicht der Vater ist.

Eine Möglichkeit, ein teures und aufwendiges Anfechtungsverfahren zu vermeiden, ist a) die Einleitung des Scheidungsverfahrens noch vor Geburt plus b) die Zustimmung aller Beteiligten: Mutter, Ehemann und leiblicher Vater.

Das OLG Köln hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Kind während der Ehe geboren wurde (das Scheidungsverfahren lief bereits) und damit als ehelich galt. Alle drei - Mutter, leiblicher Vater und Ehemann - waren aber darüber einig, von wem das Kind abstammt. Der leibliche Vater gab sein Anerkenntnis ab, die Mutter stimmte zu - bloß der Ehemann, in dessen Interesse es eigentlich gewesen wäre, die rechtliche Vaterschaft loszuwerden, war etwas „saumselig". Erst über ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung stimmte er der Vaterschaft des Anderen zu.
Das OLG musste nun prüfen, ob die Jahresfrist des § 1599 BGB abgelaufen war.
§ 1599 Abs. 2 BGB durchbricht den Grundsatz, wonach die gesetzliche Vermutung, dass ein während der Ehe geborenes Kind vom Ehemann der Mutter abstammt, nur durch eine gerichtliche Entscheidung beseitigt werden kann. Die Vorschrift ermöglicht in den Fällen, in denen das Kind nach Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens geboren wird, die Anerkennung der Vaterschaft durch einen Dritten und die Beseitigung der Vaterschaftszurechnung zum bisherigen Ehemann ohne gerichtliches Anfechtungsverfahren. Voraussetzung ist, dass der Dritte die Vaterschaft innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung anerkennt und die Mutter und der geschiedene Ehemann der Anerkennung zustimmen.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass Kinder, die während eines laufenden Scheidungsverfahrens geboren werden, im Hinblick auf die Zerrüttung der Ehe in der Regel nicht von dem "Noch-Ehemann" abstammen. In diesen Fällen ist schon wegen des der Scheidung in der Regel vorausgehenden Trennungsjahres die tatsächliche Grundlage für die gesetzliche Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes nicht gegeben. Allerdings muss nach § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils erfolgen. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob auch die Zustimmungserklärungen der Mutter und des früheren Ehemanns innerhalb dieser Frist abgegeben werden müssen.
Das OLG Köln meint nun:
Nach dem Wortlaut und dem systematischen Aufbau der Vorschrift gilt das Fristerfordernis nur für die Anerkennungserklärung des Dritten. In § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB, der die Frist enthält, ist nur davon die Rede, dass der Dritte die Vaterschaft innerhalb eines Jahres anerkennen muss. Die weiteren Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Anerkennung - insbesondere die Zustimmung der Kindesmutter und des damaligen Ehemannes der Kindesmutter -, sind in den nachfolgenden Sätzen ohne Bezugnahme auf die Frist geregelt. Der Wortlaut differenziert damit zwischen der Erklärung der Anerkennung durch den Dritten und den zur Wirksamkeit der Anerkennung erforderlichen Zustimmungen.
Der Zweck der Jahresfrist - die Vermeidung eines unnötig langen Schwebezustands - erfordert nicht zwingend die Erstreckung der Frist auch auf die Zustimmungserklärungen. Auch ein auf die Anerkennungserklärung des Dritten beschränktes Fristerfordernis ist geeignet, den durch § 1599 Abs. 2 BGB ermöglichten Schwebezustand zu begrenzen. Ist innerhalb der Jahresfrist keine Anerkennungserklärung beurkundet, entfällt die Möglichkeit, die gesetzliche Vaterschaftsvermutung ohne gerichtliches Verfahren zu beseitigen. In den Fällen, in denen nach der Anerkennung durch den Dritten die erforderlichen Zustimmungen nicht zeitnah erteilt werden, hat der Dritte die Möglichkeit, die Anerkennung gem. § 1597 Abs. 3 BGB nach einem Jahr zu widerrufen. Bis zur Wirksamkeit der Anerkennung durch eine Dritten bleibt es bei der gesetzlichen Vaterschaft des geschiedenen Ehemanns.
Der noch verbleibende Schwebezustand, der sich daraus ergibt, dass die Vaterschaftsanerkennung erst mit Erteilung der nach dem Gesetz erforderlichen Zustimmungen wirksam wird, besteht auch in den übrigen Fällen der Vaterschaftsanerkennung. Nach § 1595 BGB bedarf die Vaterschaftsanerkennung auch außerhalb der in § 1599 Abs. 2 BGB geregelten besonderen Fallkonstellation des nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrages geborenen Kindes zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Mutter und ggfs. des Kindes. Auch in diesen Fällen sieht das Gesetz keine Frist für die Erteilung der Zustimmung vor, so dass in diesen Fällen zwischen der Anerkennungserklärung und der Wirksamkeit der Anerkennung ein längerer Zeitraum verstreichen kann.
Die Vorschrift des § 1599 Abs. 2 BGB knüpft daran an, dass in den dort geregelten Fällen der Vaterschaftsvermutung des Gesetzes die tatsächliche Grundlage entzogen ist. Ihr Zweck liegt in der Vermeidung gerichtlicher Anfechtungsverfahren in den Fällen, in denen zwischen den Beteiligten Einigkeit über die tatsächliche Abstammung des Kindes besteht. Dieser Zweck erfordert keine zusätzliche Befristung der vereinfachten Vaterschaftsanerkennung. Den Interessen des die Vaterschaft anerkennenden Dritten ist durch die Möglichkeit des Widerrufs der Anerkennung, den Interessen der übrigen Beteiligten durch die Möglichkeit, ein gerichtliches Anfechtungsverfahren einzuleiten, hinreichend Rechnung getragen. Gerade wenn - wie im vorliegenden Fall - die Anerkennung der Vaterschaft erst kurz vor Ablauf der Jahresfrist erklärt wird, erscheint eine Erstreckung des Fristerfordernisses auf die noch erforderlichen Zustimmungserklärungen der Mutter und des geschiedenen Ehemannes, mit dem zu diesem Zeitpunkt kein Kontakt mehr bestehen muss, nicht gerechtfertigt.
Abweichender Ansicht war zuvor das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1054).


Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 22.9.2010, 16 Wx 32/10


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