Ja, das Trennungsjahr ist in fast allen Fällen unverzichtbar. Man kann sich auch nicht legal auf eine Abkürzung einigen.
Die Angabe eines falschen Datums kann ungeahnte Folgen haben – z. B.
- Entfallen des gesetzlichen Erbrechts,
- Verkürzung des Versorgungsausgleich,
- ein früherer Stichtag für den Zugewinnausgleich,
- Widerruf der Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren, wenn die falschen Angaben auffallen,
- Nachzahlung von Steuern,
- Das Anfallen der Spekulationssteuer für den nicht mehr im Haus lebenden Ehegatten bei Verkauf des Hauses,
- strafrechtliche Konsequenzen wegen einer falschen Angabe gegenüber dem Gericht.
Das bedeutet: Wenn man sich dazu verabredet, beim Scheidungsrichter falsche Angaben zum Trennungszeitpunkt zu machen, um schneller geschieden zu werden, ist das strafbarer Prozeßbetrug - wenn es herauskommt.
Gefährlich sind insbesondere unterschiedliche Angaben beim Finanzamt und beim Scheidungsantrag, weil man bis zuletzt noch steuerlich zusammenveranlagt werden möchte.
Das Trennungsjahr ist eine der Voraussetzungen für einen Scheidungsantrag. Es beginnt, wenn die Ehegatten wirklich „von Tisch und Bett“ getrennt leben, und dauert zwölf Monate. Es beginnt nicht, wenn die Eheleute zwar ihre Krise wahrnehmen, aber noch ein gemeinsames Ehe- oder Familienleben führen (insbesondere Haushaltsführung füreinander).
Das OLG Zweibrücken
hat am 07.11.2008 (2 UF 102/08) klargestellt, dass sich das Getrenntleben nicht durch fehlenden ehelichen Sex definiert:
"Soweit das Familiengericht in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass die Parteien schon seit 9 Jahren keinen Geschlechtsverkehr mehr miteinander hatten, sieht dies der Senat nicht als entscheidendes Indiz für das Scheitern der Ehe an. Es gibt mannigfaltige Gründe, weshalb Ehepaare nach längerer Zeit des Zusammenlebens – mehr oder minder einvernehmlich – davon absehen, geschlechtlich miteinander zu verkehren; eine harmonische Lebensgemeinschaft mit gegenseitiger Verantwortung füreinander bedarf nicht unbedingt eines aktiven Sexuallebens."
Zu freundlich gechattet = nicht getrennt
Das KG Berlin
hat im Beschluss vom 13.12.2018 (13 UF 155/17) ein Getrenntleben verneint, obwohl die Eheleute seit Jahren getrennte Wohnungen hatten und jeder auch einen neuen Partner.
Das ist zwar objektiv das Aufgeben der häuslichen gemeinschaft, reicht aber nicht. Gegen die "subjektive Seite", also den Willen zur Endgültigkeit, sprach für das KG Berlin ein jahrelanger Schwebezustand, was die Unterhaltsregelung anging (der Mann überwies weiter Haushaltsgeld auf ein gemeinsames Konto und bediente auch Fixkosten wie Telefonverträge, außerdem war die Kindergeldzuordnung nicht geändert worden), gemeinsame Familienfeiern mit den vier Kindern und ein intensiver SMS-Austausch auch über Alltäglichkeiten.
Man lerne daraus: Besser zeitnah alles rechtlich regeln, sonst kann man später die Trennung nicht beweisen, wenn man zu freundlich miteinander umging.
Auch vor dem AG Aachen
habe ich noch im Jahr 2017 erlebt, dass eine Familienrichterin den Scheidungsantrag des Mannes abgelehnt hat, weil die Eheleute zwar seit über einem Jahr in getrennten Wohnungen mit 800 km Abstand lebten, der Anlass für den Wegzug des Mannes aber beruflich gewesen war und sich der "Trennungswille" anhand etlicher Versöhnungsbemühungen
seinerseits und Bitten um den Nachzug der Frau erst durch Einreichung der Scheidung objektiv manifestierte. (AG Aachen 228 F 292/17)
Das legale Abkürzen des Trennungsjahres wegen besonderer Härte ist ein Ausnahmefall, der deutlich seltener vorliegt, als sich scheidungswillige Mandanten das vorstellen.
Die „üblichen Reibereien“
bei Auflösung der Beziehung reichen jedenfalls nicht für die Anwendung des § 1565 Abs. 2 BGB. Dafür muss die Fortsetzung der Ehe für einen Ehegatten aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen.
Ob eine solche „unzumutbare Härte“ vorliegt, ist immer eine Frage des Einzelfalles. Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
hat dies in einem Fall bejaht und damit die durch das Amtsgericht ausgesprochene Ehescheidung bestätigt.
Die Eheleute waren 26 Jahre lang verheiratet. Die erwachsenen Kinder hatten vor Gericht ausgesagt, ihr Vater habe sich wie ein „Pascha“ benommen. Er sei häufig sehr aggressiv und gewalttätig gewesen. Zuletzt sei es im September vergangenen Jahres zu einem Vorfall gekommen, in der er die Mutter heftig geschüttelt und gröbst beleidigt habe. Die Mutter habe einen Krisenanfall bekommen und habe mit dem Rettungswagen abgeholt werden müssen.
Der Senat sah hierin eine „unzumutbare Härte“. Es sei typisch für Gewalttätigkeiten in der Ehe, dass jahrelang Demütigungen ausgehalten würden, bis es zu einem Punkt komme, wo dies nicht mehr gelinge. Die Ehefrau habe dies überzeugend geschildert und sich als „psychisch kaputt“ beschrieben. Der Ehemann könne auch nicht damit gehört werden, dass die groben und tief verletzenden Beleidigungen vor Gericht verfälschend übersetzt worden seien und eine „kulturelle Übersetzung“ erforderlich sei. Es sei hinreichend deutlich geworden, wie schwer die Beleidigungen die Kinder und die Ehefrau getroffen hätten.
Der Ehemann habe durch sein Verhalten die Grundlage eines weiteren Zusammenlebens der Eheleute zerstört. Der Ehefrau sei ein Festhalten an der Ehe während des Trennungsjahres nicht zuzumuten.
Oberlandesgericht Oldenburg, Az. 4 UF 44/18, Hinweisbeschluss vom 26.04.2018
Die Entscheidung ist insofern überraschend, als bisher in der Rechtsprechung darauf abgestellt wurde, dass es ja genüge, wenn dem unzumutbaren Verhalten des Partners durch die räumliche Trennung ein Ende gesetzt werden könne.