Gerichts-Entscheidungen
zum Wechselmodell

Sammlung der Rechtsanwältin

Martina Mainz-Kwasniok

ab 2020


Mutters Haus - Vaters Haus

Massstab richterlicher Entscheidungen ist das Kindeswohl. Über sachverständigen Rat (Jugendamt, Verfahrensbeistand, Gutachter) soll eine objektive Auslegung des Kindeswohles erfolgen. Allerdings scheint es mit dem Wechselmodell wie mit einer Religion zu sein: Manche Richter, Gutachter, Verfahrensbeistände und Jugendamtsmitarbeiter halten das Wechselmodell für die grundsätzlich zweitbeste Lösung (die beste ist das in Liebe zusammenlebende Elternhaus) und raten nur in begründeten Ausnahmefällen davon ab. Andere Vertreter der Professionen beten das Mantra "Ein Kind braucht einen Lebensmittelpunkt". Ich sammele hier ab 2020 Entscheidungen zum Wechselmodell.


Als roter Faden zieht sich durch: wer etwas will, findet Wege, wer etwas nicht will, findet Gründe.


Prozessuales: Sorge- oder Umgangsverfahren?

Wechselmodelle spielen im Grenzbereich zwischen Sorgerecht und Umgangsregelung.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 die Rechtsfrage, ob das Wechselmodell ins Sorge- oder ins Umgangsverfahren gehört, offen gelassen:

Ob der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten und die Gesetzeslage damit verfassungswidrig wäre, wenn sie die gegen den Willen eines Elternteils getroffene Anordnung paritätischer Betreuung ausschlösse, bedarf hier ebenso wenig der Entscheidung wie die primär von den Fachgerichten zu klärende Frage, ob derzeit nach dem Fachrecht eine solche Anordnung - sei es im Wege sorgerechtlicher Regelung, sei es als umgangsrechtliche Regelung - ausgeschlossen ist.

BVerfG, 24.06.2015 - 1 BvR 486/14


Der 2. Senat des OLG Frankfurt/ Main hatte sich festgelegt:

Die Anordnung des paritätischen Wechselmodells betrifft das Sorge-, nicht das Umgangsrecht. Deswegen ist eine einstweilige Anordnung, mit der ein paritätisches Wechselmodell angeordnet wird, anfechtbar.

OLG Frankfurt/Main Beschluss vom 29.01.2020 - 2 UF 301/19


- Widersprechend dem 4. Senat im OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 05.12.2018 - 4 UF 167/18 :

Wollen beide Eltern den Lebensmittelpunkt des Kindes bei sich begründen, kommt die Anordnung eines Wechselmodells bzw. einer geteilten Betreuung in einem Sorgerechtsstreit nach Auffassung des Senats hingegen nicht in Betracht. Vielmehr hat die konkrete Aufteilung der Betreuungsanteile dann bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Rahmen einer gerichtlichen Umgangsregelung zu erfolgen, sofern sich beide Eltern über die Betreuungsanteile nicht im Rahmen ihres gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts verständigen können.

Dabei geht das OLG aber davon aus, dass auch eine 4:3-Betreuung ein Wechselmodell sein könne -

Der Fall 2020:

Die Mutter wollte aus dem Wechselmodell aussteigen und führte dazu ein Umgangsverfahren beim Amtsgericht. Mit einer eA (von Amts wegen eingeleitet) regelte das Amtsgericht bis zur Entscheidungsreife im Hauptsacheverfahren einen Umgang Woche-Woche. Als Umgangsregelung wäre dies nicht anfechtbar gewesen.

Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nämlich nicht anfechtbar - außer, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung über die elterliche Sorge für ein Kind entschieden hat.

Das OLG nahm die Beschwerde dennoch an, weil die Regelung sorgerechtliche Aspekte beinhalte. Entscheidungen über den Lebensmittelpunkt des Kindes - oder die paritätische Aufteilung eines Lebensmittelpunktes - fielen unter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, nicht unter das Umgangsrecht, so das Oberlandesgericht. Der Gesetzgeber habe ersichtlich mit "Umgang" eine den "Beziehungserhalt gewährende Besuchsregelung" gemeint. Die elterliche Sorge, die sich auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht erstrecke, beinhalte dagegen eine Aufenthaltslösung, die einen überwiegend betreuenden Elternteil schaffe. Auch aus der Gesetzesgeschichte folge, dass der Gesetzgeber zwischen einem betreuenden Elternteil und einem "nur" umgangsberechtigten Elternteil Entscheidungen getroffen habe, die den unterschiedlichen Regelungsgehalt beider rechtlichen Kategorien abbilden.

Das Oberlandesgericht widersprach damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - siehe unten -, der trotz breit geäußerter Kritik daran festhalte, dass das Wechselmodell über eine Umgangsregelung angeordnet werden könne. Die Auswirkungen dieser nach Ansicht des Oberlandesgerichts unrichtigen Einordnung zeigten sich besonders deutlich in dem vorliegenden Verfahren: Sie habe zur Folge, dass einstweilige Anordnungen unanfechtbar wären, obwohl sie für Monate - wenn nicht Jahre - elementare Lebensbedingungen für Kinder und Eltern festschrieben.

Der Eilbeschluss des Familiengerichts wurde daher aus formalen Gründen aufgehoben: weil kein Elternteil eine Abänderung der ursprünglich getroffenen Vereinbarung im Eilverfahren beantragt hatte und das Oberlandesgericht keinerlei Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung erkennen konnte. Die Eltern hatten sich ohnehin für die Zeit des schwebenden Verfahrens auf eine leicht geänderte und mit weniger Wechseln verbundene Betreuung der Kinder geeinigt.


Auch vor dem OLG Nürnberg - Entscheidung vom 08.12.2015 - 11 UF 1257/15 - war die Wechelmodellfrage im Umgangsverfahren geführt worden.

Das Oberlandesgericht hat seine Ablehnung des väterlichen Antrages formell damit begründet, das vom Vater begehrte Wechselmodell könne aus rechtlichen Gründen nicht im Umgangsverfahren angeordnet werden. Deshalb sei auch von der persönlichen Anhörung des Kindes abgesehen worden. Das Wechselmodell sei rechtssystematisch der Ausübung der elterlichen Sorge zuzuordnen. Das Umgangsrecht ermögliche dem Elternteil, in dessen Obhut das Kind nicht lebe, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten, um einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Das Umgangsrecht diene dagegen nicht der gleichberechtigten Teilhabe beider Eltern am Leben ihrer Kinder. Es sei vom Aufenthaltsbestimmungsrecht abzugrenzen, das Teil der elterlichen Sorge sei. Umgangsanordnungen müssten ihre Grenze spätestens dort finden, wo sie zu einer Änderung oder Festlegung des Lebensmittelpunkts des Kindes führen würden, was jedenfalls bei einer Anordnung der hälftigen Betreuung durch die Eltern und damit eines doppelten Lebensmittelpunkts des Kindes der Fall wäre. Es bestehe deshalb keine Möglichkeit, im Rahmen des Umgangsrechts ein paritätisches Wechselmodell anzuordnen.


Der BGH hob dies 2017 auf und verwies zurück:

Das Familiengericht dürfe ein Verfahren grundsätzlich nicht ohne eine den Umgang ausgestaltende Regelung, also nicht etwa durch bloße Zurückweisung des von einem Elternteil gestellten Antrags beenden, sondern müssen von Amts wegen unabhängig vom konkreten Antrag den Umgang regeln - oder bewusst ausschließen.

Das spricht in der Praxis dafür, das Wechselmodell als Umgangsantrag zu formulieren.


Der BGH sah 2017 die Wechselmodellfrage nicht zwingend im Sorgerechtsverfahren, sondern hält auch ein Umgangsverfahren für den möglichen formalen Weg zum Wechselmodell.


Aus dem BGH- Beschluss vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15:

Das Gesetz enthält keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Ob auf entsprechenden Antrag eines Elternteils und mit welchem Inhalt auch eine auf das gleiche Ergebnis gerichtete Sorgerechtsregelung möglich ist, kann hier offenbleiben. Eine Vorgabe, in welchem Umfang ein Umgang maximal angeordnet werden kann, enthält das Gesetz nicht.


Daher ist es vom Gesetzeswortlaut auch umfasst, durch Festlegung der Umgangszeiten beider Eltern die Betreuung des Kindes hälftig unter diesen aufzuteilen. Dass die gesetzliche Regelung sich am Residenzmodell orientiert, besagt allerdings nur, dass der Gesetzgeber die praktisch häufigste Gestaltung als tatsächlichen Ausgangspunkt der Regelung gewählt hat, nicht aber, dass er das Residenzmodell darüber hinausgehend als ein andere Betreuungsmodelle ausschließendes gesetzliches Leitbild festlegen wollte. Selbst wenn ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes regelmäßig im Rahmen eines Verfahrens über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und nicht eines solchen über das Umgangsrecht auszutragen ist, spricht dies jedenfalls bei Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern nicht gegen die Anordnung des Wechselmodells im Wege einer Umgangsregelung (aA OLG Brandenburg mwN). Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht ebenso wie eine gleichlautende Elternvereinbarung mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang. Die mit einer Umgangsregelung verbundene Einschränkung in der Ausübung der elterlichen Sorge ist in der gesetzlichen Systematik von Sorge- und Umgangsrecht mithin angelegt. Mit welchem Umfang das Umgangsrecht gerichtlich festgelegt wird, stellt sich dann als bloß quantitative Frage dar und hat keinen Einfluss auf das grundsätzliche Verhältnis von Sorge- und Umgangsrecht. Das Umgangsrecht wird schließlich von Gesetzes wegen nicht auf die Gewährleistung eines Kontaktminimums oder den in der Praxis gebräuchlichen zweiwöchentlichen Wochenendumgang begrenzt.

Dass eine auf das Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung in bestimmten Fallgestaltungen, wenn der umgangsberechtigte Elternteil nicht mitsorgeberechtigt ist, zur sorgerechtlichen Regelung möglicherweise in sachlichen Widerspruch treten kann, stellt sich als eine im jeweiligen Einzelfall zu beantwortende Frage der inhaltlichen Folgerichtigkeit einer zu treffenden Entscheidung dar und kann eine generelle Ausschließlichkeit der sorgerechtlichen Regelung aus systematischen Gründen nicht rechtfertigen.

Die sich aus der umgangsrechtlichen Anordnung des Wechselmodells ergebenden sorgerechtlichen Folgen lassen sich wie bei einem von den Eltern vereinbarten Wechselmodell und bei Umgangsregelungen im allgemeinen § 1687 BGB entnehmen.


Schließlich ergibt sich auch daraus nichts anderes, dass das Gesetz bei einstweiligen Anordnungen den Rechtsschutz gegenüber sorgerechtlichen Maßnahmen in § 57 Satz 1 FamFG einschränkt. Auch hier ist darauf zu verweisen, dass eine Umgangsregelung im Unterschied zu einem Sorgerechtseingriff lediglich eine Regelung zur Ausübung der elterlichen Sorge darstellt, die im Vergleich zu einem Eingriff in das Sorgerecht grundsätzlich von geringerer Intensität ist.

BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15



Zur für Wechselmodellfragen unpassenden Aufspaltung von Sorge- und Umgangsrecht hatte der BGH auch im Beschluss XII ZB 512/18 vom 27.11.2019 dem OLG Frankfurt widersprochen:


„Bei Sorge- und Umgangsrecht handelt es sich nach der gesetzlichen Systematik um eigenständige Verfahrensgegenstände.“ (…) „Sorge- und Umgangsrecht unterliegen dementsprechend verfahrensrechtlich der eigenständigen Behandlung, wie es von den Vorinstanzen auch praktiziert worden ist. Entsprechend entfaltet die im jeweiligen Verfahren erlassene Entscheidung keine übergreifende Bindungswirkung auch für den anderen Verfahrensgegenstand.“ (…) „Zudem ist schon die Prämisse des Oberlandesgerichts nicht haltbar, dass mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil zugleich notwendigerweise die gerichtliche Entscheidung für ein Residenzmodell verbunden sei“. (...) „Die Frage, ob es sinnvoll erscheint, durch eine gesetzliche Zusammenfassung der Verfahrensgegenstände von Sorgerecht und Umgangsrecht zu einem einheitlichen Verfahren die Gefahr widersprüchlicher Regelungen zu vermindern, ist rechtspolitischer Natur und kann sich schon deswegen im vorliegenden Verfahren nicht stellen.“


2022 machte der BGH an einem Fall deutlich, dass im Sorgerechtsverfahren das Ziel der Abänderung des Wechselmodells nicht zu erreichen ist, wenn es dazu eine Umgangsregelung gibt.


Mit einer gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung vom 18.12.2018 schlossen Eltern sowohl das sorgerechtliche Beschwerdeverfahren wie auch das umgangsrechtliche Beschwerdeverfahren ab. Sie vereinbarten darin die Erziehung des Kindes im paritätischen Wechselmodell mit einem jeweils wöchentlichen Aufenthalt beim Vater und bei der Mutter. Weiterhin wurde der Umgang in den Ferien und an Feiertagen geregelt.

2019 hat die Mutter beantragt, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Die Mutter begehrt mit ihrem Antrag die Beendigung des paritätischen Wechselmodells und die Herstellung einer tatsächlichen Betreuungssituation, in der das Kind mehr Tage bei ihr verbringt als beim Vater. Das FamG übertrug ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Der Vater ging dagegen zum OLG.

Nachdem die Eltern außergerichtlich keine Einigkeit über die unmittelbaren Rechtsfolgen der angefochtenen Entscheidung für die Umgangsberechtigung erzielen konnten, hat der Senat des OLG Dresden den Hinweis erteilt, dass die gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung vom 18.12.2018 von der sorgerechtlichen Entscheidung des FamG unberührt bleibt.

Die Vorinstanz OLG Dresden v. 19.2.2021 – 21 UF 32/21 entschied:


Das Ziel der Mutter sei unter den hier gegebenen Umständen mit dem vorliegenden Antrag zum Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht zu erreichen. Die Abänderung eines in einem Umgangsverfahren vereinbarten und familiengerichtlich genehmigten Wechselmodells kann nur in einem Umgangsverfahren und nicht in einem Sorgerechtsverfahren erreicht werden.

Die hier zu beurteilende Fallgestaltung wirft die Frage auf, wie ein praktiziertes Wechselmodell – durch eine gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung untersetzt – in eine Residenzmodell zu überführen ist. Über das Aufenthaltbestimmungsrecht funktioniert das nur, wenn es keine gemäß § 156 Abs. 2 FamFG gerichtlich gebilligte Umgangsregelung gibt. In einem solchen Fall kommt eine Abänderung nur im umgangsrechtlichen Verfahren in Betracht (KG, a. a. O.; im Ergebnis auch das sorgerechtliche Verfahren bei OLG Brandenburg, FamRZ 2021, 34 ff., für den Fall einer untitulierten praktizierten Umgangsregelung). Ihr Regelungsgehalt kann nicht durch eine sorgerechtliche Regelung, namentlich zum Aufenthaltsbestimmungsrecht, in Wegfall geraten.

Dies folgt daraus, dass de lege lata Umgangsrecht und Sorgerecht getrennte Verfahrensgegenstände sind. Das Sorgerecht regelt die Rechtszuständigkeit – auch bei Fremdunterbringung – das Umgangsrecht die tatsächliche Ausübung.

Es gibt keine übergreifende Bindungswirkung auch für den anderen Verfahrensgegenstand.

Daraus folgt nach der Rechtsprechung des BGH, dass mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil nicht notwendigerweise zugleich die gerichtliche Entscheidung für das Residenzmodell verbunden ist.

Die grundsätzliche Veränderung des Betreuungsmodells mag zwar häufig Motiv für die Beantragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sein. Ein bestimmtes Betreuungsmodell ist aber nicht unmittelbarer Gegenstand der Entscheidung, welche allein in der Übertragung der entsprechenden Befugnis auf den Elternteil besteht. Auch ist die Betreuung im Residenzmodell nicht auf andere Weise zwangsläufig mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts verbunden.

Wird aber nach alledem für die Etablierung des paritätischen Wechselmodells keine bestimmte sorgerechtliche Befugnisverteilung vorausgesetzt, kann – wie im vorliegenden Fall – auch für die Auflösung des paritätischen Wechselmodells als actus contrarius die vorherige Herbeiführung einer bestimmten sorgerechtlichen Ausgangssituation nicht notwendig sein; namentlich bedarf es keiner Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts.

Der Senat sieht auch keine Notwendigkeit, den Beteiligten in Fällen wie dem vorliegenden nahezulegen, stets Sorge- und Umgangsverfahren parallel zu betreiben. Der sorgerechtliche Antrag wird sich immer am Maßstab von § 1671 Abs. 1 BGB daran messen lassen müssen, ob eine Regelung angestrebt wird, die dem Kindeswohl am besten dient. Bei Anwendung der Rechtsprechung des BGH kann dies die Beendigung des Wechselmodells allein nicht sein, die bereits mit einer umgangsrechtlichen Regelung herbeigeführt werden kann. Weitere Rechtsfolgen ergeben sich aufgrund der veränderten Betreuungssituation, die zur Obhut eines Elternteils führt, ohne Weiteres aus dem Gesetz (vgl. etwa § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB; § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB; § 7 Abs. 1 UVG) oder sind in einem gesonderten Verfahren zu klären (zum Kindergeld vgl. § 64 Abs. 2 S. 3 EStG, ferner dazu HdbFA/FamR-Fuchs, 11. Aufl., 6. Kap. Rz. 347), ohne dass es notwendigerweise der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bedarf. Der Antragsteller wird deshalb nach § 1671 BGB darüber hinausgehende Kindeswohlgründe vortragen müssen, aus denen sich das Erfordernis einer förmlichen Veränderung des Lebensmittelpunktes des Kindes ergibt. Dies kann etwa ein angestrebter Umzug sein.


Die Mutter wird deshalb, sollte sie ihre Vorstellungen zur Veränderung der Betreuungssituation weiterverfolgen wollen, beim FamG einen Antrag im umgangsrechtlichen Verfahren zu stellen haben. Dieser dürfte nicht wegen fehlender Antragsbefugnis abgewiesen werden (OLG Saarbrücken, FamRZ 2021, 39 f., juris Rz. 8 ff.).

Eine Umdeutung ihres Begehrens in einen umgangsrechtlichen „Antrag“ bereits im vorliegenden Verfahren kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts in den Schriftsätzen der anwaltlich vertretenen Mutter nicht in Betracht und ist auch sonst nicht veranlasst. Die bereits erwähnte Unterscheidung der Verfahrensgegenstände würde hierdurch unzulässig überspielt, mag auch deren Überwindung gerade mit Blick auf die Bedürfnisse im Beschwerdeverfahren de lege ferenda wünschenswert sein.

Es besteht keine Veranlassung, der Mutter aus sonstigen Gründen das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Ihren Ausführungen ist – auch auf Nachfrage des Senats – kein zusätzliches Regelungsziel zu entnehmen im Sinne einer erforderlichen weitergehenden Rechtszuständigkeit oder Befugnis über ein spezifisches Betreuungsmodell hinaus. Weder beabsichtigt die Mutter umzuziehen noch etwa den Aufenthalt des Kindes für einen Drittort zu bestimmen. Der Beschluss des FamG ist deshalb aufzuheben, mögen die vom FamG angestellten Erwägungen zur Betreuungssituation und zum Elternstreit durchaus nachvollziehbar sein. Diesen Gesichtspunkten wird ggf. in einem nachfolgenden Umgangsverfahren nachzugehen sein.


Mit BGH-Beschluss v. 19.1.2022 - XII ZA 12/21 wies der BGH den VKH-Antrag der Mutter für eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde zurück. Das Verfahren auf Staatskosten sei mutwillig, weil das Ergebnis keine Auswirkungen auf ihre konkrete Rechtsposition haben werde. VKH sei nicht dafür gedacht, Grundsatzfragen zu klären. Die Frage der Betreuungsanteile sei im Umgangsverfahren bei AG und OLG zu entscheiden, nicht vor dem BGH.


Dem BGH folgend hatte der 18. Senat in Stuttgart 2017 im Umgangsverfahren entschieden und fand die Steigerung der väterlichen Mitbetreuung von 40/60 auf 50/50 weder formal noch inhaltlich gravierend:


Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, kann im Einzelfall auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 1. Februar 2017, XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532). Bestehen unstreitig gute Bindungen der Kinder zu beiden Elternteilen und hat der umgangsberechtigte Elternteil bereits bisher einen wesentlichen Teil der Betreuungsleistung übernommen (vorliegend: rund 40%), so kann die Kindeswohldienlichkeit des Wechselmodells auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilt werden.

OLG Stuttgart - 18 UF 104/17 - vom 23.8.2017


Auch der 4. Senat in Frankfurt hält die exakte Stundenzählerei der Betreuung nicht für das rechtliche Maß der Dinge:

Von einer geteilten Betreuung ist dabei nicht nur bei einer exakt gleichen zeitlichen Aufteilung der Betreuungsanteile zwischen beiden Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells auszugehen, sondern immer dann, wenn das Kind bei beiden Eltern ein Domizil hat und beide Eltern sich die Versorgungs- und Erziehungsaufgaben etwa hälftig teilen. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls bei einer Aufteilung der Betreuungsanteile im Verhältnis von 4:3 bei abwechselnder Betreuung an den Wochenenden, bei Vorhandensein eines Kinderzimmers in den Wohnungen beider Eltern und bei gleichzeitiger Bereitschaft beider Eltern zur Verantwortungsübernahme und zur Sicherstellung des Kindertagesstättenbesuchs erfüllt.

In der Psychologie wird bereits bei einem Anteil beider Eltern von über 30 Prozent der Betreuungszeit von einem Wechselmodell ausgegangen (vgl. Salzgeber, NZFam 2014, 921).

OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 05.12.2018 - 4 UF 167/18


Der 6. Senat in Frankfurt ordnete das Wechselmodell im Umgangsverfahren an:

Es geht um ein 7jähriges Mädchen, das als 2jährige nach der Trennung der Eltern beim Vater auf dessen Bauernhof wohnen blieb, während die Mutter weiter weg zog. Anfangs hatte die Mutter alle 14 Tage Umgang an einem kurzen Wochenende. Die Mutter zog wieder in die Nähe des Vaters, wollte ein paritätisches Wechselmodell und bekam zunächst 14tägig Freitags bis Dienstags, dann bis Mittwochs.

Das Amtsgericht stellte fest, dass der im Laufe des Verfahrens ausgedehnte Umgang nicht zu einer Überforderung des Kindes geführt habe. Sie sei mit beiden Familiensystemen (Stiefeltern, Stiefgeschwister, Großeltern) vertraut und komme damit zurecht. Sie habe begeistert von ihrem Leben in beiden Haushalten berichtet. Weder seien organisatorische Schwierigkeiten erkennbar noch hätten sich Kommunikations- und Kooperationsschwierigkeiten zwischen den Eltern feststellen lassen. Die abstrakte Forderung des Kindesvaters nach einem Lebensmittelpunkt reiche nicht aus, um ein Wechselmodell in Frage zu stellen. Das AG ordnete im Umgangsverfahren ein Wechselmodell an.


Der Vater ging dagegen zum OLG.

Der Verfahrensbeistand unterstützte die Mutter: Das Wechselmodell erhöhe die Erziehungskontinuität zu beiden Eltern. Es führe bei dem Kind zu mehr emotionaler Stabilität und Sicherheit, bei beiden Eltern leben zu dürfen und gewährleiste eine gedeihliche Identitätsentwicklung.

Auch das Jugendamt hatte sich für ein Wechselmodell ausgesprochen, weil die gute Bindung zu beiden Elternteilen hierdurch gleichermaßen gepflegt und gefördert werden könne.


Das OLG:

Das Wechselmodell ist auch nach Überzeugung des Senats die dem Wohl des Kindes am besten entsprechende Umgangsregelung. Ein paritätisches Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (BGH FamRZ 2017, 532 ). Die für Sorgerechtsfragen anerkannten gewichtigen Gesichtspunkte des Kindeswohls - die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens - gelten auch für die Anordnung eines Wechselmodells. Im Rahmen der Beurteilung ist weiter zu berücksichtigen, dass diese Ausgestaltung der Betreuung gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Das Kind muss deshalb eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen aufweisen. Wesentlich abzustellen ist zudem auf den vom Kind geäußerten Willen, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist (BGH FamRZ 2020, 255 ). Weiter ist in die Beurteilung einzubeziehen, dass sich zwischen den Eltern in der praktischen Verwirklichung einer paritätischen Betreuung erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf ergibt, was geeignete äußere Rahmenbedingungen, so etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen, aber auch eine entsprechende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraussetzt. Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf (KG Berlin, FamRZ 2018, 1324 ). Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung entspricht ein paritätisches Wechselmodell aus diesen Gründen in der Regel nicht dem Kindeswohl, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die Eltern im Einzelfall gleichwohl in der Lage sind, ihren persönlichen Konflikt von der gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Elternrolle zu trennen und dieses von ihrem Streit zu verschonen (ebd.). Keine Voraussetzung für die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells ist hingegen, dass sich die Kindeseltern über die Wahl dieses Betreuungsmodells einig sind (OLG Stuttgart FamRZ 2020, 107).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat - ebenso wie das Amtsgericht - unter Abwägung aller Kindeswohlkriterien davon überzeugt, dass eine paritätische Betreuung des Kindes durch beide Elternteile im Wechsel dessen Wohl am besten entspricht (§ 1697 a BGB ).

Das Amtsgericht hat im Wesentlichen zu Recht darauf abgestellt, dass A zu beiden Eltern eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung hat, mit beiden Familiensystemen vertraut ist und der Aufenthalt bei der Kindesmutter für das Kind nicht lediglich einen Besuch, sondern auch Alltagserleben darstellt. Es hat dies zu Recht aus den Angaben des Kindes in der Kindesanhörung geschlossen. Das Kind hat ausweislich des Vermerks über die Kindesanhörung begeistert von ihrem Leben in beiden Haushalten und den jeweiligen Urlauben mit beiden Elternfamilien berichtet. Hierbei kamen keinerlei Präferenzen für das Leben in dem einen oder dem anderen Haushalt zum Ausdruck. Auch der Verfahrensbeistand ist zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass das Kind sich bei beiden Elternteilen wohlfühlt und in beiden Haushalten eine gute soziale Anbindung hat. Gegenüber dem Verfahrensbeistand hat das Kind sogar geäußert, am liebsten mit der Mama zu spielen, weil sie dort ganz viele Spielsachen habe. Außerdem habe ihr die Mama zu Fasching ein Eisprinzessinnenkleid gekauft. Dies verdeutlich, dass die Kindesmutter Bedürfnisse ihrer Tochter wahrnimmt und stillt und diese von der alltäglichen Sorge durch beide Elternteile profitiert. Wenn für das Kind nach seinen Bekundungen beide Elternteile gleichermaßen von Bedeutung sind, dann ist es nur folgerichtig, wenn diese Bindung an beide Elternteile mit einer paritätischen Betreuung gestärkt und aufrechterhalten wird. Der Senat pflichtet dem Verfahrensbeistand darin bei, dass das Kind hierdurch mehr emotionale Stabilität und Sicherheit erhält, bei beiden Elternteilen leben zu dürfen und dass somit eine gedeihliche Identitätsentwicklung besser gewährleistet und gefördert werden kann, als wenn A ihren Lebensmittelpunkt nur im Haushalt des Kindesvaters hat und sie die Kindesmutter lediglich besucht. Auch das Jugendamt hat bestätigt, dass das Kind zu beiden Eltern eine gute Bindung hat, die durch ein Wechselmodell gleichermaßen gepflegt und gefördert werden kann. Im Übrigen sind weder die Bindungsqualität noch die grundsätzliche Erziehungsfähigkeit der Eltern und deren Kapazität, das Kind in ihrer Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig zu fördern im vorliegenden Verfahren in Frage gestellt worden.

Schließlich ist die Anordnung eines Wechselmodells auch vom Willen des Kindes gedeckt. Es hat vor der Ausweitung des Umgangs um einen weiteren Tag in vorliegendem Verfahren gegenüber dem Verfahrensbeistand bekundet, dass es „eigentlich schon ein bisschen mehr bei der Mama sein möchte“ und jeweils den anderen Elternteil vermisse, wenn es sich bei dem Papa oder der Mama aufhalte. In der gerichtlichen Anhörung hat das Kind sich mit der Anordnung eines Wechselmodells grundsätzlich einverstanden erklärt und nur klargestellt, dass es auch bei der bisherigen Handhabung bleiben könne.

Der bei der Verwirklichung des Wechselmodells erhöhte Abstimmungs- und Kooperationsbedarf ist in organisatorischer Hinsicht unproblematisch, da die Kindeseltern seit dem Umzug der Kindesmutter in Nachbargemeinden wohnen und sich die Wegstrecken bei einem wöchentlichen Wechsel zwischen den Haushalten und die von beiden Kindeseltern aus zurückzulegenden Wege zur Schule in einem überschaubaren Rahmen halten. Hinzu kommt, dass das Kind wegen der Verkehrssituation auch vom Haushalt des Kindesvaters in die Schule gefahren werden muss.

Auch der Grad der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Kindeseltern im Verhältnis zueinander steht der Anordnung einer paritätischen Betreuung nicht entgegen. Die Eltern üben das Sorgerecht für das Kind seit ihrer Trennung gemeinsam aus und konnten sich offensichtlich bisher über wesentliche Fragen, wie etwa die Einschulung des Kindes in der Schule in Stadt4 und sogar über eine Ausweitung des Umgangs verständigen. Für eine hohe elterliche Konfliktbelastung und einen hieraus folgenden Loyalitätskonflikt des Kindes gibt es vor diesem Hintergrund keinerlei Anhaltspunkte. Das Amtsgericht hat zudem zutreffend ausgeführt, dass die Kindeseltern übereinstimmend angegeben haben, dass es seit der Praktizierung des erweiterten Umgangs ab März 2021 keine auf eine mangelnde Abstimmung zurückzuführenden Probleme gegeben habe. Zudem hat A in ihrer gerichtlichen Anhörung erklärt, dass ihre Eltern nicht streiten würden. Darüber hinaus hat sie bekundet, dass sie während der Ferien mit der Mama mit dem Papa telefoniert habe und die Eltern auch miteinander reden würden. Auch der Verfahrensbeistand hat eine grundlegende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Kindeseltern festgestellt. Ebenso geht das Jugendamt von einer solchen aus.

Da das Kind nach den Feststellungen des Verfahrensbeistands mit der verlängerten Umgangsregelung gut zurechtkommt, keinerlei Auffälligkeiten zeigt, altersgemäß entwickelt ist und im Übrigen auch keine Anhaltspunkte für einen Loyalitätskonflikt bestehen, ist der Senat davon überzeugt, dass A auch den erhöhten Anforderungen eines Wechselmodells gewachsen ist, zumal vorliegend die paritätische Betreuung durch eine Erweiterung des Umgangs um lediglich zwei Tage erreicht wird.

Es trifft auch entgegen der Auffassung des Kindesvaters nicht zu, dass der Bundesgerichtshof die Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils für grundsätzlich nicht vertretbar hält. Ein Konsens der Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell ist gerade keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung, weil der Wille des Elternteils und das Kindeswohl nicht notwendig übereinstimmen müssen (BGH, FamRZ 2017, 532 ). Wie oben bereits ausgeführt, entspricht es dem Wohl des Kindes am besten, von den Eltern paritätisch betreut zu werden. Da beide Eltern erziehungsgeeignet sind, beide das Kind fördern können und das Kind zu beiden eine gute Bindung aufweist, spricht allein das Kontinuitätsprinzip für die Beibehaltung der bisherigen schwerpunktmäßigen Betreuung beim Kindesvater. Wie das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, muss das Kontinuitätsprinzip vorliegend aber zurückstehen, weil die Vorteile des Wechselmodells für des Kindes, die Beziehung zu beiden Elternteilen gleichermaßen zu leben und hierdurch ihre Identität zu finden sowie eine positive Persönlichkeitsentwicklung zu nehmen, überwiegen. Für die Auffassung des Kindesvaters, das Kind benötige einen Lebensmittelpunkt in seinem Haushalt, hat er keine konkrete nachvollziehbare Begründung. Es gibt auch keine human- oder sozialwissenschaftlichen Forschungsergebnisse, nach denen für ein siebenjähriges Kind der Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil abstrakt dem Kindeswohl besser entspräche, als ein Wechselmodell. Es besteht vielmehr Einigkeit darüber, dass die Wahl eines bestimmten Betreuungsmodells nicht pauschal bestimmt werden kann und eine hälftige Aufteilung der Betreuung Chancen und Risiken mit sich bringt (nicht empfohlen wird das Wechselmodell lediglich für Säuglinge und Kleinkinder unter 3-4 Jahren vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) § 1684 BGB , Stand 05.09.2021, Rn. 255 m. w. N.).

Schließlich ist auch die Aufteilung der Umgangswochen und der Wechseltag nicht zu beanstanden. Diese werden von der Beschwerde auch nicht in Frage gestellt.


OLG Frankfurt/Main - Beschluss vom 26.10.2021 (6 UF 147/21)


Im Umgangsverfahren kann der Betreuungsanteil bis über die Hälfte verschoben werden

Eine Vorgabe, in welchem Umfang ein Umgang maximal angeordnet werden darf, enthält das Gesetz nicht, vielmehr kann das Gericht die Umgangszeiten beider Eltern bis hin zu einer hälftigen Betreuung des Kindes regeln, KG Beschl. v. 30.4.2018 – 19 UF 71/17 - vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15.

Ein Umgangsverfahren ermöglicht aber nicht nur ein Wechselmodell, sondern sogar ein Umdrehen der zeitlichen Anteile bis hin zum Ändern des überwiegenden Aufenthaltes.

KG - Beschluss vom 18.05.2018 - 3 UF 4/18: Amtswegige Umkehr einer Betreuungsregelung im Wege einer Umgangsregelung

„Selbst wenn ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes regelmäßig im Rahmen eines Verfahrens über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und nicht eines solchen über das Umgangsrecht auszutragen ist, spricht dies jedenfalls bei Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern nicht gegen die Anordnung eines anderweitigen Betreuungsmodells im Wege einer Umgangsregelung.“

Die Logik dahinter ist:
Sowieso greift jede Umgangsregelung in die Ausübung des Sorgerechts ein. Das ist in der gesetzlichen Systematik von Sorge- und Umgangsrecht angelegt. Umgang ist also bloß eine quantitative Angelegenheit. Und da gibt es keine gesetzesimmanente Grenze.
Alle Sorgerechtsfragen, die sich aus dem konkreten Betreuungsmodells ergeben, sind dann wieder über § 1687 BGB zu beantworten und über § 1628 BGB gerichtlich zu lösen.


a.A. OLG Brandenburg Beschl. v. 6.7.2020 – 13 UF 26/20

Im UG-Verfahren könne nur der kleinere Umgangsanteil des Vaters unterhalb 50% geregelt werden, auch wenn die Mutter nicht das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht hat

– mit Anm. Hammer in FamRZ 2021, 35 zum Verhältnis von Sorge- und Umgangsverfahren


KG Berlin 30.4.2018: Trotz Hochstrittigkeit Wechselmodell als beste Lösung

Aus KG Beschl. v. 30.4.2018 – 19 UF 71/17:

Die Vorgaben des BGH sind dabei nicht wie Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen, sondern es sind die in Betracht kommenden Betreuungsalternativen zu untersuchen und die jeweiligen Vor- und Nachteile für das konkrete Kind und seine Eltern wertend gegeneinander abzuwägen (...).

Ein klarer Lebensmittelpunkt des Kindes bei einem Elternteil mit einem weitgehend auf das Wochenende beschränkten Umgang des anderen Elternteils könnte hingegen dafür sorgen, dass weniger Konflikte der Eltern über Alltagsfragen auftreten, weil diese gemäß § 1687 Absatz 1 S. 2 und 3 BGB allein vom hauptsächlich betreuenden Elternteil zu treffen wären (z.B. routinemäßige Arztbesuche usw.), während der andere Elternteil lediglich Entscheidungen hinsichtlich der tatsächlichen Betreuung zu treffen hätte ( § 1687 Absatz 1 S. 4 BGB). Nach Einschätzung des Sachverständigen ist jedoch zu erwarten, dass sich die sonstigen Konflikte und das Konfliktverhalten der Eltern insgesamt sich sogar noch verschärfen, weil ein Elternteil subjektiv “verloren” hätte. Nach dem in der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindruck des Senats ist eine Verschärfung des Konflikts auch dadurch zu befürchten, dass der Umgangselternteil umso mehr versuchen würde, das Kind auf seine Seite zu ziehen und mit den vorhandenen finanziellen Mitteln “Superwochenenden” zu gestalten. Ein Wochenende wird vermutlich auch kaum reichen, der Tochter in ihrem Bedürfnis nach Zuwendung durch den Wochenendelternteil “satt” zu machen, nachdem sie bisher ihre enge Beziehung zu beiden Eltern jeweils über einen längeren Zeitraum und auch im Alltag pflegen konnte. Die Eltern wären zudem weiter darauf verwiesen, im Rahmen der verbleibenden gemeinsamen elterlichen Sorge in wichtigen Angelegenheiten gemeinsame Entscheidungen treffen zu müssen (§ 1687 Absatz 1 S. 1 BGB). Gleichzeitig würde dies für das Kind die abrupte und ganz erhebliche Einschränkung der Beziehung zu einer den zwei wichtigsten und gleichwertigen Bezugspersonen bedeuten. Diese Nachteile würden - auch im Hinblick auf den entgegenstehenden beachtlichen Kindeswillen - die Vorteile nicht aufwiegen.
(...) Der Senat verkennt nicht, dass der Loyalitätsdruck des Kindes erheblich und die Belastung durch den Elternstreit beträchtlich ist. Auch die Rigidität und fehlende Durchlässigkeit der Betreuung für jeweils eine ganze Woche bedeuten unter Berücksichtigung des Kleinkindalters und ihres altersbedingten Zeitempfindens eine erhebliche Belastung, zumal sie jeweils am Ende der Woche den anderen Elternteil vermisst und dies auch äußert. Der Sachverständige hat insoweit prognostiziert, dass bei ungehindertem Fortgang mit kognitiven und seelischen Störungen bei dem Kind zu rechnen sei. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass sich das Kind nach Einschätzung des Sachverständigen als äußerst resilientes Kind erwiesen hat, mit den Belastungen also relativ gut umgehen kann, und sich auch die im unmittelbaren Verhältnis zum Kind sehr guten Erziehungsfähigkeiten der Eltern sowie das Bestreben der Eltern, die Konflikte von dem Kind möglichst fern zu halten, positiv und schützend auswirken.

(...)

Hinsichtlich der Erwartungen für eine Verbesserung der Kommunikation ist zu berücksichtigen, dass die Eltern sich seit der Trennung im familiengerichtlichen Verfahren befinden und um die Betreuung streiten und deshalb beständig nach Fehlern beim anderen Elternteil suchen. (...) Der Senat erachtet es daher als durchaus realistisch, dass die Eltern nach dem nunmehrigen Abschluss des Verfahrens und einer verbindlichen Betreuungsregelung sowie Inanspruchnahme der ihnen aufgegebenen monatlichen Beratungs- oder Therapiegespräche bei nur einer Stelle und im Hinblick auf die gemeinsamen Themen nach und nach zu verbesserter und direkter Kommunikation in der Lage sein können.

Die hälftige Betreuung wird daher – in Übereinstimmung mit dem BGH – nicht angeordnet, um dadurch die Kommunikation zu verbessern. Sie wird vielmehr trotz der schlechten Kommunikation der Eltern angeordnet, weil dies der seit langem praktizierten Betreuung gegenüber anderen Betreuungsgestaltungen und dem beachtlichen Kindeswillen entspricht, die defizitäre Kommunikation sich bisher nicht nachteilig auf das Kind auswirkt, die klare und mit wenigen Wechseln verbundene Regelung für das Kind stabilisierend und vorhersehbar ist und eine Besserung der Kommunikation durch regelmäßige und hochfrequentere Beratung ohne parallel laufendes Gerichtsverfahren möglich erscheint.



OLG Dresden 14.04.2022: Wechselmodell bei Kindeswille trotz streitender Eltern

Ein Wechselmodell kann gegen den Willen eines Elternteils auch bei einer erheblichen Störung der elterlichen Kommunikation gerichtlich angeordnet werden, wenn das Wechselmodell bereits seit geraumer Zeit tatsächlich gelebt wird, es dem beachtlichen Willen des Kindes entspricht und nachteilige Auswirkungen auf das Kind nicht feststellbar sind.

 

Das Kind ist jetzt 12 Jahre alt, wohnte bei der Mutter und traf den Vater seit 2018 alle 14 Tage von Donnerstag-Nachmittag bis Dienstag-Morgen. 2018 beim AG und 2019 beim OLG war ein Wechselmodell abgelehnt worden, weil nicht nur die Mutter, sondern auch Jugendamt und Verfahrensbeistand eine ausreichende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern vermissten.

In einem neuen Verfahren im April 2021 weitete das Amtsgericht diese Zeit aus und ordnete ein Woche-Woche-Wechselmodell an, weil das Kind sich das so gewünscht hatte. Die Mutter war damit nicht einverstanden und begründete das damit, dass der Sohn vom Vater manipuliert worden sei. Im Übrigen lägen auch die übrigen Voraussetzungen für ein Wechselmodell, nämlich eine hinreichende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern, nicht vor.

Da die amtsgerichtliche Entscheidung schon vor Rechtskraft wirksam war, wechselte der Sohn ab Mai 2021 wöchentlich den Haushalt.

Bis zur Entscheidung des OLG über die Beschwerde verging genau ein Jahr.

Eine vernünftige, am Kindeswohl orientierte Kooperation und Kommunikation zwischen den Eltern war immer noch kaum möglich. Es fehlte weiterhin an gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Eine von vereinbarte außergerichtliche Mediation ist gescheitert. Die Mutter meinte, sie sei dort vom Vater beleidigt worden und der Vater habe sich an die dort getroffenen Absprachen nicht gehalten. Die direkte Kommunikation war eingestellt. Der massive Elternkonflikt ist auch noch Gegenstand eines Sorgerechtsverfahrens zum Thema einer ärztlichen Behandlung.

Und dennoch ordnete das OLG Dresden das Wechselmodell an:

„Dabei ist die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern aber nur ein Abwägungsgesichtspunkt, der im Einzelfall zurücktreten kann. Auch bei hochkonfliktbehafteten Eltern kann das Wechselmodell dem Kindeswohl entsprechen, und zwar dann, wenn zu erwarten ist, dass das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht verstärkt, darüber hinaus die Belastung sogar vermindert (vgl. Wache, Anm. zu OLG Bamberg, Beschluss vom 01.03.2019 - 7 UF 226/18 -, NZFam 2019, 574; Salzgeber, NZFam 2014, 921, 929). Insoweit sind die Vorgaben des BGH zur gerichtlichen Anordnung eines Wechselmodells nicht wie Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen, sondern es sind die in Betracht kommenden Betreuungsalternativen zu untersuchen und die jeweiligen Vor- und Nachteile für das betroffene Kind und seine Eltern wertend gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2019, 979 , 980 = NZFam 2019, 574; KG, FamRZ 2018, 1324 , 1326; Hammer, FamRZ 2015, 1433 , 1442).

Nach diesen Maßstäben entspricht die Fortsetzung des vom Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss angeordneten paritätischen Wechselmodells nach Überzeugung des Senats dem Wohl von L...... am besten. Gegenüber anderen Betreuungsgestaltungen, wie etwa dem zuvor praktizierten erweiterten Umgang des Antragstellers mit seinem Sohn, stellt es nach dem "Prinzip der Schadensminimierung" das für das Kind am wenigsten schädliche und damit im Vergleich beste Betreuungsmodell dar. Denn durch das Wechselmodell wird die Belastung für L...... jedenfalls nicht noch weiter erhöht.

Dabei ist aus der Sicht des Senats entscheidend, dass sich L...... im Verlauf des Verfahrens mehrfach klar und eindeutig für ein Wechselmodell ausgesprochen hat. Daneben fällt maßgeblich ins Gewicht, dass das Wechselmodell bereits seit Anfang Mai 2021 und damit seit nahezu einem Jahr praktiziert wird. Obgleich die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit des Antragstellers und der Antragsgegnerin deutlich eingeschränkt sind, sind alle für die Durchführung des Wechselmodells bedeutsamen Fragen zwischen den Eltern geklärt und funktioniert das Wechselmodell in der Praxis im Wesentlichen reibungslos. Dies ergibt sich aus L......s Schilderungen in der Anhörung durch den Senat und wurde im Kern auch von den Eltern bestätigt.

Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Familiengericht und dem Verfahrensbeistand davon aus, dass der Wille von L...... nicht auf Manipulation oder Beeinflussung durch den Antragsteller beruht, sondern seinem wirklichen Willen und seinen wahren Bindungen zu beiden Elternteilen entspricht. Aufgrund der persönlichen Anhörung von L...... am 17.03.2022 hat sich der Senat davon überzeugen können, dass sein Wunsch nach einer paritätischen Betreuung im Verhältnis 7/7 einem eigenen tiefgreifenden Gerechtigkeitssinn entspricht und nicht bloß Ausdruck eines vordergründigen Fairnessbedürfnisses ist. L...... hat gegenüber dem Senat wiederholt erklärt, dass er gleich viel Zeit bei seiner Mama und seinem Papa verbringen wolle und ihm die jetzige Regelung am besten gefalle. Diese sei für ihn und seine Eltern "gut". Die Frage des Verfahrensbeistandes, ob er sich auch einen längeren Aufenthalt als eine Woche bei seinem Vater vorstellen könne, hat er verneint. An dieser Haltung hat er auch für den Fall festgehalten, dass sich sein Stiefbruder M......, mit dem ihn ein gemeinsames Hobby verbindet und mit dem er sich nach dem Eindruck des Senats besonders gut versteht, länger als eine Woche bei seinem Vater aufhielte. L...... hat auf mehrfache Nachfragen des Senats bekräftigt, dass die Betreuung durch seine Eltern im wöchentlichen Wechsel "gerecht" sei. Er hat hinzugefügt, dass es seinem Papa, aber auch ihm selbst mit dieser Regelung "besser gehe". L...... hat seinen Wunsch ferner nachvollziehbar damit begründet, dass er im Haushalt seines Vaters seine Halb- und Stiefgeschwister treffe und es bei seiner Mama "manchmal langweilig" sei. Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass der Wunsch von L...... nach einer hälftigen Betreuung durch seine Eltern der tatsächliche Wille des Kindes ist.

Das in der Kindesanhörung deutlich zum Ausdruck kommende hohe Gerechtigkeitsempfinden von L...... ist zu respektieren. Eine Nichtbeachtung des Willens des fast elfdreivierteljahre alten Kindes birgt die Gefahr einer Schwächung der kindlichen Selbstwirksamkeitserwartung mit voraussichtlich negativen Folgen für seine psychische Entwicklung. Grundsätzlich kommt dem Willen des Kindes mit zunehmendem Alter und Einsichtsfähigkeit vermehrt Bedeutung zu. Nur dadurch, dass der wachsenden Fähigkeit eines Kindes zu eigener Willensbildung und selbstständigem Handeln Rechnung getragen wird, kann erreicht werden, dass das Kind sich durch Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann (vgl. BVerfG, FamRZ 2018, 2166 , 268; FamRZ 2008, 1737 , 1738; OLG Köln, FamRZ 2020, 35 , 36; OLG Nürnberg, NZFam 2017, 185). Zur schutzwürdigen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes gehört auch dessen auf einem tief empfundenen Gerechtigkeitsgefühl beruhender Wunsch nach Gleichbehandlung beider Eltern (so JHA/Rake, Familienrecht, 7. Aufl., § 1684 BGB Rn. 47).



Zwar ist es auch nach Auffassung des Senats nicht fernliegend, dass der geäußerte Kindeswille von dem Loyalitätsdruck der Eltern beeinflusst ist und er auch den von dem Verfahrensbeistand geschilderten Wunsch von L...... nach Ruhe signalisiert. Gleichwohl stellt der konstant geäußerte Wunsch nach hälftiger Betreuung eine psychische Lebenswirklichkeit dar und ist schon allein aus diesem Grunde zu respektieren. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Äußerungen des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen widersprechen und deshalb unbeachtlich sein könnten (vgl. hierzu BVerfG, FamRZ 2016, 1917 , 1918; FamRZ 2015, 1093 , 1094). L...... hat zu beiden Elternteilen eine enge und gute Bindung.

Die von der Antragstellerin zuletzt im Senatstermin am 17.03.2022 beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten von L...... stehen dem vom Familiengericht angeordneten paritätischen Wechselmodell nicht entgegen. Derartige Verhaltensauffälligkeiten sind, worauf das Jugendamt in seiner Stellungnahme vom 09.03.2022 zu Recht hingewiesen hat, auch schon vor Einführung des Wechselmodells aufgetreten. Ursache hierfür ist nicht das von den Eltern jeweils praktizierte Wechselmodell, sondern der weiter andauernde massive Elternkonflikt, unter dem L...... erkennbar leidet und der ihn auch nach Einschätzung des Verfahrensbeistandes stark belastet. Soweit aus der Sicht der Antragsgegnerin allein das Wechselmodell zu einer Zunahme der Verhaltensauffälligkeiten von L...... geführt haben soll, fehlt es für diese subjektive Einschätzung der Antragsgegnerin an belastbaren und verifizierbaren Tatsachen. Auch der weitere Vortrag der Antragsgegnerin, das Wechselmodell biete dem Antragsteller im Vergleich zum erweiterten Umgang größere Möglichkeiten, L...... zu manipulieren, scheint wenig überzeugend. Die von ihr befürchtete Möglichkeit einer weiteren "massiven kindeswohlschädlichen Einflussnahme" bestünde nicht nur im Rahmen des vom Familiengericht angeordneten Wechselmodells, sondern auch bei Fortgeltung des dem Antragsteller bislang zustehenden erweiterten Umgangs oder bei einer sonstigen Umgangsregelung.

Zur Überzeugung des Senats wird sich der Konflikt durch die Ausweitung des Umgangs zu einem Wechselmodell nicht weiter verschärfen, die Belastung des Kindes dementsprechend nicht weiter erhöhen. Der entscheidende Vorteil des Wechselmodells ist, dass es dem Willen von L...... entspricht und er hierdurch seinen Wunsch nach Gleichbehandlung der Eltern verwirklicht sieht. Gleichzeitig wird durch die Installierung des Wechselmodells dem Wunsch von L...... nach "Ruhe" Rechnung getragen und kann er hierdurch weitere seelische Entlastung erfahren. Diese Einschätzung des Senats steht in Einklang mit der Stellungnahme des Verfahrensbeistandes im Senatstermin am 22.06.2021. Danach sei "mit der jetzigen Umgangspraxis eine große Entlastung für L...... eingetreten".

Das schon seit Mai 2021 praktizierte Wechselmodell hat nach den übereinstimmenden Berichten des Verfahrensbeistands und des Jugendamtes zu keinen nachteiligen Auswirkungen für L...... geführt. Er selbst hat in seiner Anhörung auf entsprechende Fragen des Senats angegeben, dass der wöchentliche Wechsel von einem zum andern Elternteil reibungslos verliefe und auch in der Schule keine Probleme aufgetreten seien. Diese Schilderung ist sowohl durch die Eltern als auch durch das Jugendamt und den Verfahrensbeistand bestätigt worden. Nach Mitteilung seines Klassenlehrers arbeitet L...... in der Schule sehr gut mit und zeigt keine Auffälligkeiten. Demgemäß haben der Verfahrensbeistand und das Jugendamt im Verlaufe des Verfahrens wiederholt die Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses befürwortet.

Der von der Antragsgegnerin beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es im Lichte von § 26 FamFG nicht, da der Senat über ausreichende Sachkenntnis verfügt, um festzustellen, dass der Wille von L...... nach einer paritätischen Betreuung im Verhältnis 7/7 nicht übergangen werden darf, unabhängig davon, ob er auch Ausdruck eines Loyalitätskonflikts ist. Das mündliche und schriftliche Vorbringen der Beteiligten bot dem Senat insoweit eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage. Für die Maßgeblichkeit des Kindeswillens haben sich im Übrigen auch der Verfahrensbeistand und das Jugendamt ausgesprochen. Die Behauptung der Antragsgegnerin, das Wechselmodell habe zu einer Verschlimmerung der Verhaltensauffälligkeiten des Kindes geführt, ist - ungeachtet ihrer mangelnden Substanz - dem Beweis durch ein Sachverständigengutachten vorliegend schon nicht zugänglich, da ein Sachverständiger mangels objektiver Vergleichsmöglichkeiten keine eigenen, aussagekräftigen Feststellungen zu dem von der Antragsgegnerin behaupteten Ursachenzusammenhang treffen könnte.“

 

Nach § 1696 Abs. 1 BGB ist eine Entscheidung zum Umgangsrecht zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Dabei ist die Änderungsschwelle für Erweiterungen des Umgangs niedriger anzusetzen als bei Sorgerechtsentscheidungen und können Anpassungen an veränderte Umstände schon dann geboten sein, wenn dies dem Kindeswohl dient. Für das Erreichen der Änderungsschwelle kann ein geänderter Kindeswille, insbesondere wenn die Änderung auch schon tatsächlich praktiziert wird, genügen.


OLG Hamburg 22.06.2021 zum Wechselmodell

Trotz paritätischer Betreuung während der Corona-Zeit und trotz Äußerungen des Kindes stellt das OLG Hamburg die Weichen wieder pro Residenzmodell:


Die Eltern der 9 und 13 Jahre alten Kindern leben in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs, 17km entfernt, getrennt seit 2015. Seit 2017 hatte der Vater das Wechselmodell begehrt, das im März 2020 – mit Beginn der Corona-Pandemie – im wochenweisen Wechsel gestartet hatte. Zufrieden ist die Mutter damit nicht, sie möchte wieder die Hauptbetreuungsperson sein. Sie habe dem Wechselmodell nur vorübergehend wegen ihrer beruflichen Situation während des Homeschooling zugestimmt.


Der Streit eskaliert nun um die Wahl des Gymnasiums, das der 9jährige ab Sommer 2021 besuchen soll. Jeder Elternteil nennt gute Gründe für eine Schule, die in seiner Nähe liegt. Das Kind wollte sich bewusst nicht auf eine Seite positionieren, sprach sich aber für die Fortführung des Wechselmodells aus.


Zwischen den Eltern sind nun ein Verfahren zur Schulwahl, eines zum Umgang, ein Eilantrag wegen des Aufenthaltsbestimmungsrechts und ein Eilantrag zur Frage des Erstwohnsitzes anhängig. Die Entscheidung über die Schulwahl war aus Sicht der Eltern zentral, weil daran auch die weiteren Alltagsfragen und die konkreten Betreuungskonzepte hängen. Die hier zitierte OLG-Entscheidung ist die über die Schulwahl.


Die Mutter bekam vom OLG die Alleinentscheidungsbefugnis für die an ihrem Wohnort liegende Schule.


Aus den Gründen:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells geboten sein kann, ebenfalls unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden. Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls hat der Bundesgerichtshof in Sorgerechtsfragen bislang die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt. Gleiches gilt auch für Regelungen zum Umgangsrecht und mithin hier für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells. Ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätischer Wahrnehmung des Elternrechts setzt die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells als hälftig geteilter Ausübung der gemeinsamen Sorge auch die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus. Dass zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Konsens besteht, ist hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. Ein Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18, juris Rn. 20ff, FamRZ 2020, 255 ).


Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Umgang des Kindes gemäß § 1626 Abs. 3 S. 1 BGB mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört. Mit der Vorschrift ist allerdings noch keine quantitative Festlegung einer zu treffenden Umgangsregelung verbunden. Eine solche muss vielmehr im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entsprechen.


Das Wechselmodell stellt gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Auf Seiten des Kindes wird ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen sein, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Hierfür kann gegebenenfalls auch Bedeutung gewinnen, in welchem Umfang beide Elternteile schon zur Zeit des Zusammenlebens in die Betreuung des Kindes eingebunden waren.


Wesentlicher Aspekt ist zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Bei Kindern im Jugendalter verringert sich ohnedies die gemeinsame Zeit von Eltern und Kind, weil die Kinder ihren Aktionsradius erweitern und für sie die mit Gleichaltrigen verbrachte Zeit bedeutsamer wird. Zwischen den Eltern ergibt sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was geeignete äußere Rahmenbedingungen, so etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen, aber auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraussetzt.


Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf.


Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung wird das Wechselmodell dagegen in der Regel nicht dem Kindeswohl entsprechen. Denn das Kind wird dann durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert und gerät durch den von den Eltern oftmals ausgeübten "Koalitionsdruck" in Loyalitätskonflikte. Zugleich wird es den Eltern aufgrund ihres fortwährenden Streits oft nicht möglich sein, die für die Erziehung des Kindes nötige Kontinuität und Verlässlichkeit zu schaffen.


Die Anordnung des Wechselmodells erscheint grundsätzlich dazu ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen. Das schließt nicht aus, dass die Eltern im Einzelfall gleichwohl in der Lage sind, ihren persönlichen Konflikt von der - gemeinsamen - Wahrnehmung ihrer Elternrolle gegenüber dem Kind zu trennen und dieses von ihrem Streit zu verschonen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18, juris Rn. 23f, FamRZ 2020, 255 ).


Die Erziehungseignung und der Erziehungswille der Eltern sowie die Bindungen und der Wille des Kindes geben die Entscheidung nicht vor.


Bei den Bindungen handelt es sich um eine innere, psychische Tatsache, und zwar um die gefühlsmäßigen Neigungen, mit anderen Worten die in den Emotionen des Kindes verankerte besondere Beziehung des Kindes zu seinen Eltern, die zwar nicht direkt, aber über verbale Äußerungen und zu beobachtendes Verhalten des Kindes wahrnehmbar sind. Über eine bloße "Beziehung" hinaus bezeichnet der Begriff der "Bindung" ein biologisch verankertes Verhaltenssystem, welches darauf abzielt, dem Kind lebensnotwendige Sicherheit und Schutz durch die Betreuungsperson zu vermitteln (Lack in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 1671 Rn. 68). Dem Kindeswillen kommen im Rahmen der Kindeswohlprüfung zwei Funktionen zu. Zum einen ist er verbaler Ausdruck von inneren Bindungen zu bestimmten Personen, die das Kind empfindet, und zum anderen ab einem bestimmten Alter ein Akt der Selbstbestimmung (vgl. BeckOK BGB/Veit, Stand 1.5.2021, § 1671 Rn. 89; Lack in: Johannsen/Henrich/Althammer/Lack, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 1671 Rn. 79).

(…)


(…) die Mutter (…) war vor und zunächst nach der Trennung der Eltern nicht nur eine, sondern die Hauptbezugsperson beider Kinder. Der Vater übte nach der Trennung zunächst eine umfangreiche Betreuung aus. Mit dem Umzug der Mutter (…) und dem Beginn der Corona-Pandemie betreuten die Eltern die Kinder im paritätischen Wechselmodell. Allerdings stellt die paritätische Betreuung während der Corona-Pandemie eine besondere Situation dar. Der Unterricht erfolgte über die Distanz. Die Freizeitaktivitäten sind und waren reduziert. Die Arbeit der Eltern erfolgte weitgehend von zu Hause aus. Insoweit spricht der längerfristige Kontinuitätsgedanke für die Mutter. Der Beziehungskontinuität bemisst der Senat mit Blick auf das Alter (9) derzeit gegenüber der Umgebungskontinuität ein tendenziell höheres Gewicht zu.

(…)


Beide Kinder - die gemeinsame Tochter allerdings mit Einschränkungen - zeigten sich im Rahmen der Anhörungen offen für die Fortführung (des Wechselmodells). Dieses ist - entgegen der Ansicht der Mutter - nicht von vornherein aufgrund der Konflikte der Eltern untereinander ausgeschlossen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich die Konflikte besonders an der Fortführung der mit der Corona-Pandemie begonnenen paritätischen Betreuung entzünden. Darauf sind die Auseinandersetzungen jedoch nicht beschränkt. Sie kreisen weiter insbesondere um finanzielle Fragen in Form des ungeklärten Kindesunterhaltes und die Aufteilung der für die Kinder entstehenden Kosten. Insoweit erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Eltern nach einer diesbezüglichen Klärung wieder vermehrt an einem Strang ziehen. Dies ist jedoch derzeit nicht zeitnah zu erwarten, da die Eltern zunächst eine Klärung der finanziellen Grundlagen herbeiführen wollen und sich in der Auskunftsstufe befinden.


(…) Die nicht geklärten finanziellen Grundlagen sprechen nicht für die Fortführung eines paritätischen Wechselmodells.


So blieb auch die Aussage der Mutter, dass sich der Vater auch im Wechselmodell nicht an den Kosten für die Kinder (Musik, Sport, Schulessen) beteiligt im Raum stehen. Eine Klärung wird kurzfristig auch für N. erforderlich sein, da dieser mit fortschreitenden Lockerungen seine Freizeitaktivitäten wieder aufnehmen möchte und es nicht dem Wohl N. am besten entsprechen würde, wenn die finanziellen Auseinandersetzungen der Eltern zu Lasten der Interessen der Kinder gehen würden.


Gleichzeitig hat die Anhörung der Eltern auch gezeigt, dass die Mutter näher bei ihren Kindern ist. Sie macht sich tiefergehende Gedanken um die Entwicklung der Kinder, benennt diese und setzt sie entsprechend um. Dies zeigt exemplarisch (…)


In einer Gesamtabwägung spricht sich der Senat deshalb für die Entscheidung der Schulanmeldung durch die Mutter aus. Dies geschieht unter Berücksichtigung der genannten Umstände und insbesondere der Folge, dass damit ein paritätisches Wechselmodell erschwert wird.


OLG Hamburg, Beschluss vom 22.06.2021 - Aktenzeichen 12 UF 61/21



Bindungstoleranz: Wer gegenüber dem Hauptbetreuungs-Elternteil nicht loyal ist, bekommt kein Wechselmodell

BGH XII ZB 512/18 vom 27.11.2019:
Der Anordnung eines Wechselmodells kann entgegenstehen, dass der dieses begehrende Elternteil es an der notwendigen Loyalität gegenüber dem anderen Elternteil fehlen lässt. Ein gegenläufiger Wille des Kindes ist nicht ausschlaggebend, wenn dieser maßgeblich vom das Wechselmodell anstrebenden Elternteil beeinflusst ist.

Nach der Trennung der Eltern 2013 wurde der Mutter 2014 das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, worauf hin diese aus dem bisherigen Familienheim auszog und in einen nahegelegenen Ort umzog.
Der Vater beantragte gerichtlich die Doppelresidenz im Wege eines Sorgerechtsverfahrens. Das Amtsgericht eröffnete von Amts wegen auch noch ein Umgangsverfahren. Hier wurde vom Amtsgericht und später auch vom Oberlandesgericht eine umfangreiche Umgangsregelung getroffen, welche jedoch nicht den Umfang eines Wechselmodells erreichte.

Vor dem BGH verfolgte der Vater weiter sein Ziel einer genau hälftigen Aufteilung der Betreuung.
Zunächst ging es um Formalien, nämlich darum, ob die Wechselmodellfrage ins Sorgerechts- oder Umgangsrechtsverfahren gehört und ob die höhere Schwelle eines Abänderungsverfahren anzulegen sei -siehe oben.

Daraus folgte: Die Entscheidung sei nicht am Maßstab des § 1696 BGB, sondern am (niedrigeren) Maßstab des § 1684 BGB zu messen. Der BGH hat klargestellt, dass eine vorherige, sorgerechtliche Entscheidung keine Vorfestlegung für ein später zu führendes Umgangsverfahren und damit für den heranzuziehenden Entscheidungsmaßstab (§1696 BGB) darstellt. Hier lag das OLG Frankfurt in seiner Annahme also falsch.

Trotzdem sei das OLG Frankfurt letztendlich zum richtigen Ergebnis gekommen. Die konkrete Sachlage habe auch am Maßstab des §1684 BGB keine Anordnung der Doppelresidenz zugelassen.

Das Thema Bindungstoleranz war hier das KO-Kriterium:
Der Anordnung der Doppelresidenz stehe entgegen, dass nach den angestellten Ermittlungen der Vater es weniger als die Mutter vermöge, die Bindung der Kinder an beide Eltern zu respektieren. Insofern sei die Erziehungseignung des Vaters eingeschränkt. Er ziehe die Kinder in den Elternkonflikt hinein und setze sie damit einem verstärkten Loyalitätsdruck aus. Der Vater lasse es auch an der notwendigen Loyalität zur Kindesmutter als dem anderen Elternteil fehlen.

Das Oberlandesgericht sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass dem geäußerten Kindeswillen keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen sei. Die Entscheidung sei in Übereinstimmung mit der Einschätzung von Jugendamt, Gutachten und Verfahrensbeistand erfolgt.

Leider hat der BGH die Entscheidung nicht genutzt, um die üblichen Totschlagargumente einem Faktencheck zu unterziehen, sondern führt aus: „Beim Wechselmodell kommt hinzu, dass dieses gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat“.

Der BGH tut so, als ob das Kind, das „nur“ 40% statt 50% seiner Zeit beim Vater verbringt, sich nicht auf dessen Lebensumgebung einstellen müsse. Auch wurden die These vom erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarf und von höherer Konfliktbelastung bemüht.
Dass Kinder unter Loyalitätskonflikten unabhängig vom Betreuungsmodell leiden, war Ergebnis der Metastudie von Nielsen, wird aber vom BGH nicht berücksichtigt. Ebenso ist immer noch nicht bis zu den Richtern vorgedrungen, dass das Wechselmodell Chancen zu Deeskalation bietet, weil sie die Machtmißbrauchsmöglichkeiten einer Seite beendet. Hier arbeitet der BGH mit „Glaubensgrundsätzen“, die wissenschaftlich längst so in Frage gestellt worden sind, dass sie differenzierter betrachtet werden müssten.

Dass der BGH letztlich die Entscheidung des OLG Frankfurt, das Wechselmodell in diesem Einzelfall nicht anzuordnen, bestätigt, ist jedoch nachvollziehbar – und deshalb konnte der BGH so oberflächlich bleiben.

Gutachter als auch Verfahrensbeistand und Jugendamt teilten nämlich übereinstimmend die Einschätzung, dass der Vater versuche, den Willen der Kinder für seine Interessen zu beeinflussen und er es damit sein, der auch im Zusammenwirken mit weiteren Umständen, z.B. im Rahmen der Übergaben oder eigenmächtiger Verlängerungen der Umgänge, für zusätzliche Belastungen der Kinder sorge. Bei der Mutter wurden solche Verhaltensweisen nicht festgestellt.

Die vom BGH betonte Loyalitätspflicht vereitelte hier das Ziel des Vaters, ein Wechselmodell anzuordnen, weil er selbst als Verursacher identifiziert wurde. Das müsste spiegelbildlich aber auch für Mütter gelten, die verfahrenstaktisch eskalieren, um das Residenzmodell zu behalten.

Für dieselbe Familie erging am selben Tag unter XII ZB 511/18 die Entscheidung „Keine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wenn der Kindeswille nicht autonom gebildet ist und sonstige Belange des Kindeswohls entgegen stehen.“


Wechselmodell beendet

Aus der Entscheidung des OLG Dresden kann man den traurigen Schluss ziehen: Wer die elterlichen Konflikte befeuert und Einigungen torpediert, bindungsintolerant ist und sogar die Mitwirkung am Gutachten verweigert, kann zur Belohnung dennoch das alleinige Sorgerecht bekommen. Jedenfalls erreichte dies hier die Mutter:
OLG Dresden - 18 UF 1003/17 - vom 08.02.2018
Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass das bis dahin bestehende Wechselmodell aufgrund der hohen Konflikte nicht weitergeführt werden könne. Das Kind solle im Haushalt der Mutter leben, da es „eine etwas stärkere Bindung an die Mutter“ habe. Die Erziehungsfähigkeit des Vaters stehe nicht infrage. Die der Mutter konnte nicht untersucht werden, da sie sich der Begutachtung entzog. Die Bindungstoleranz sei bei beiden Eltern eingeschränkt. Es sei davon auszugehen, dass beide Eltern das Kind beeinflussen würden, was dauerhaft eine „Gefährdung der emotionalen und psychischen Entwicklung des Kindes“ bedeuten würde.
„Auch bei völlig gleicher Eignung der Eltern und gleichen Bindungen des Kindes kann in einem Fall, der so hoch konflikthaft ist wie der vorliegende, das Kind nur bei einem Elternteil leben.“ Der Vater hatte im Ergebnis Umgang alle 14 Tage von Donnerstag bis Montag, die Mutter das alleinige Sorgerecht.

OLG Bamberg 2019 - Wechselmodell als Schadenbegrenzung: Kommunikations-Störungen sind in jedem Betreuungsmodell schlecht

Seit 2012 kämpfte der Vater um schrittweise Erhöhung seines Betreuungsanteiles und wurde außergerichtlich nur vertröstet, 2016 beantragte er das Wechselmodell.
Auch die Kinder (10+11) äußerten nachhaltig den Wunsch, bei beiden Eltern paritätisch zu leben, auch bei der gerichtlichen Begutachtung.
Die Mutter trat dem entgegen und führte aus, die für eine Doppelresidenz erforderliche Kommunikation, Kooperation und Einigkeit über das Erziehungskonzept wäre nicht gegeben. Aus ihrer Sicht gäbe es in wesentlichen Punkten keinen Konsens zwischen den Eltern.
Der Vater wies darauf hin, dass die Mutter eine vernünftige Kommunikation und Gespräche beim Jugendamt verweigern würde. Die Mutter behauptete also Streit, verweigerte die Kommunikation und berief sich dann auf die von ihr selbst geschaffenen Fakten - ein häufig erfolgreiches Konzept - so auch hier in 1. Instanz:
Das Amtsgericht schloss sich der Auffassung der Mutter an, dass die Kommunikationsstörungen ein KO-Kriterium fürs Wechselmodell seien: Aufgrund der seit Jahren verhärteten Fronten erscheine eine gute Kooperation und Kommunikation nicht möglich.
Zusätzlich übertrug das AG der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, obwohl es sich um ein Umgangsverfahren handelte und dies von der Mutter gar nicht beantragt war.
Der Umgang wurde mit 5:9 geregelt (Mittwoch bis Montag alle 14 Tage).
Der Vater war mit der Beschwerde erfolgreich.
Das Oberlandesgericht Bamberg stellte fest, dass die Doppelresidenz grundsätzlich gewisse Anforderungen an Eltern und Kinder stelle und wies darauf hin, dass ein Wechselmodell im Streitfall eher nicht anzuordnen sei, wenn Kinder dadurch eher in Loyalitätskonflikte geraten würden.
Im vorliegenden Fall wurde aber festgestellt, dass bei Abwägung der zur Verfügung stehenden Betreuungsalternativen die vom Amtsgericht angeordnete 5:9-Regelung nicht ausreichend ist.
Die Kinder hätten sich klar und deutlich für eine Betreuung in der Doppelresidenz ausgesprochen und entgegen der Behauptung der Mutter sei der Wille authentisch.

Die Belastung der Kinder würde durch die vom Amtsgericht getroffene Regelung nicht geringer werden. Auch die Sachverständige hatte darauf hingewiesen, dass eine hinter der Doppelresidenz zurückbleibende Umgangsregelung die Kinder nicht entlasten würde.

Auch habe die Anhörung vor dem Senat ergeben, dass die Kommunikationsfähigkeit der stark zerstrittenen Eltern weiterhin eingeschränkt sei, Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen hätten bisher nicht zur Verbesserung geführt. Ausführlich wurde im Beschluss aber dargelegt, dass die von der Mutter behaupteten Differenzen zwischen den Eltern von ihr aufgebauscht waren.

Bei beiden Eltern sei keine Einschränkung der Erziehungskompetenz festzustellen. Beide Kinder seien belastet, aber noch in der Lage, diese Belastung zu kompensieren.

Ausgehend von den Gegebenheiten des Falles gebe es im vorliegenden Fall kein Betreuungsmodell, das nach derzeitigem Stand dem Wohl der Kinder besser entspricht als die Doppelresidenz. Daher hatten sich auch beide Gutachter nach dem „Prinzip der Schadenminderung“ für die Doppelresidenz ausgesprochen.

Alternativ wäre nur ein Umgangsausschluss des Vaters oder eine massive Reduzierung des Umganges infrage gekommen, so dass keine Kommunikation mehr stattfinden würde. Angesichts der guten Bindung der Kinder an den Vater würde eine solche Regelung dem Wohl der Kinder nicht entsprechen, sondern deren seelisches Wohl gefährden. „Die Rolle des Vaters ist für die weitere Entwicklung der Kinder genauso wichtig wie die Rolle der Mutter“ hieß es dazu.
Da die Eltern bereits die 5:9-Regelung lebten sei nicht zu erwarten, dass die Kommunikations- und Kooperationsanforderungen bei einer 7:7-Regelung nicht erheblich erhöhen würden.
Gegen eine solche Regelung spreche als einziger Grund, dass die Mutter mit dieser nicht einverstanden sei.

Abschließend stellte das Oberlandesgericht noch fest, dass die vom Amtsgericht vorgenommene Übertragung des Aufenthaltsrechtes auf die Mutter rechtlich überhaupt nicht möglich gewesen ist, da dies von der Mutter gar nicht beantragt wurde. Es gebe vorliegend auch keinen Grund, in die gemeinsame Sorge der Eltern einzugreifen.

OLG Bamberg - 7 UF 226/18 - vom 01.03.2019

OLG Brandenburg 2020 zur Abänderung von Wechselmodell zum Residenzmodell bei der Mutter

Ob die Betreuung eines Kindes getrennt lebender Eltern nach dem sog. paritätischen Wechselmodell hoheitlich angeordnet werden darf, wenn nur ein Elternteil dieses Betreuungsmodell wünscht, der andere es aber ablehnt, ist umstritten. Die höchstrichterliche Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung sieht, hält eine solche Anordnung als Gegenstand einer Umgangsregelung inzwischen für zulässig, weil dem Gesetz ein entgegenstehendes Verbot nicht zu entnehmen ist, knüpft indessen die Anordnung an mehrere Anforderungen, die von den Eltern und den betroffenen Kindern und deren Beziehung zueinander zu erfüllen sind (BGH, FamRZ 2020, 255, m. Anm. Schwonberg = NZFam 2020, 116; FamRZ 2017, 532, m. Anm. Schwonberg = NJW 2017, 1815; Senat, FamRZ 2020, 345).

Auf dieser Grundlage unterliegt die Beschwerde in Ansehung der Hauptsache der Zurückweisung, da die Voraussetzungen für die hoheitliche Anordnung des Wechselmodells nicht erfüllt sind und eine auf das Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung deshalb nicht dem Wohl des betroffenen Kindes entspricht. Die an die hoheitliche Anordnung des Wechselmodells gestellten Bedingungen sind: (1) hinreichende, ungefähr gleiche Erziehungskompetenzen beider Eltern, (2) sichere Bindungen des Kindes zu beiden Eltern, (3) gleiche Beiträge beider Eltern zur Entwicklungsförderung und Kontinuitätssicherung, (4) autonom gebildeter, stetiger Kindeswille, (5) Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern zur Bewältigung des erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarfs, (6) keine Erwartung oder Verschärfung eines Loyalitätskonflikts des Kindes durch die Konfliktbelastung der Eltern (BGH, FamRZ 2017, 532, m. Anm. Schwonberg = NJW 2017, 1815).

Der Antragsteller hat der erstinstanzlich festgestellten Kindeswohlschädlichkeit des Wechselmodells keine tragfähigen Gründe entgegenzusetzen vermocht. Seiner Auffassung, ein hochstrittiger, das Kind belastender Elternkonflikt bestehe nicht tatsächlich, sondern sei von der Antragsgegnerin nur konstruiert, steht erstens sein eigener Vortrag zur mangelnden Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz der Mutter entgegen, und zweitens die Offenkundigkeit eines tiefgreifenden elterlichen Zerwürfnisses angesichts der von der Mutter nicht geteilten und weder durch das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren noch durch das Ergebnis des erstinstanzlich eingeholten SV-Gutachtens erhärteten Befürchtung des Vaters, das Kind sei sexuell missbraucht worden. Dies wird durch die Einschätzung der SV bestätigt, wonach Intensität und Qualität des Elternkonflikts eine Verbundenheit der Eltern auch in Zukunft nicht ermöglichen werden, weil jeder Elternteil durch die Meinungsverschiedenheit über den behaupteten sexuellen Missbrauch einen massiven Verlust an Selbstwirksamkeit erlebt und die Verantwortung dafür dem anderen Elternteil zuweist. Das Bestehen eines hochstrittigen, nicht beizulegenden Elternkonflikts wird weiter vom Verfahrensbeistand geteilt und spiegelt sich in den wiederholten, indes stets erfolglosen Bemühungen der Eltern um Herstellung eines Einvernehmens mit professioneller Hilfe bei ansteigendem Konfliktniveau im Lauf des Verfahrens wider.

Die Feststellung eines der Anordnung des Wechselmodells entgegenstehenden Zerwürfnisses zwischen den Eltern hängt nicht davon ab, zu welchem Anteil jeder Elternteil hierfür die Verantwortung trägt. Anders als der Antragsteller insbesondere im Beschwerderechtszug meint, kann er der Ablehnung des Wechselmodells nicht seine subjektive Einschätzung entgegensetzen, er selbst trage keinerlei Anteil an dem Elternkonflikt. Im Interesse des Kindes kommt es nicht darauf an, ob der Elternstreit eventuell mehr auf das Verhalten des einen oder des anderen Elternteils zurückzuführen ist, da der Maßstab allein das Kindeswohl ist, nicht hingegen die Erwartungen und Wünsche der Eltern (BGH, FamRZ 2017, 532, m. Anm. Schwonberg = NJW 2017, 1815; Senat, a. a. O.). Das Wohl des Kindes ist indes durch den andauernden, eskalierenden Elternkonflikt während des Verfahrenslaufs bereits in zunehmendem Ausmaß beeinträchtigt worden, wie sich aus den Berichten des Jugendamts (gravierende emotionale Belastung, Verunsicherung, verminderte Resilienz, Tendenzen einer Parentifizierung; Einkoten, Verstopfung, Schlafstörungen, Einnässen), den Einschätzungen des Verfahrensbeistands, dem durch den Elternstreit verursachten Polizeieinsatz vom 29.3.2020 und dem Vortrag des Antragstellers ergibt, der u. a. eine Notarztvorstellung des Kindes am 28.3.2020 wegen eines Hautausschlags mitteilt. Die kindeswohlschädliche Belastung des Kindes durch den Trennungsstreit der Eltern ist offenkundig.

(...)

Die SV hat beschrieben, das Kind habe ihr in mehreren Gesprächen erklärt, mehr Zeit bei der Mutter verbringen zu wollen, weil sie von dieser besser getröstet werden könne, dies aber nicht beiden Eltern mitteilen zu können. Überzeugend hat die SV diese Verlautbarung dahingehend interpretiert, dass das Mädchen wegen des Elternkonflikts unter Verlustängsten leidet, deretwegen sie befürchtet, den Vater zu verlieren, wenn sie ihm ihre Gefühle offenbart, sodass sie sich entgegen ihrer wahren Gefühle verhält, indem sie sich der Erwartungshaltung des Vaters gemäß äußert.


OLG Brandenburg Beschl. v. 6.7.2020 – 13 UF 26/20 – mit Anm. Hammer in FamRZ 2021, 35 zum Verhältnis von Sorge- und Umgangsverfahren



OLG Celle 2020 zur Billigung einer Umgangsregelung in Form eines Wechselmodells - vollstreckungsfähiger Inhalt

Haben die Kindeseltern die Fortführung eines Wechselmodels vereinbart, nach dem die Kinder sich wöchentlich abwechselnd in ihren Haushalten aufhalten sollten, und zwar beginnend mit der 2. Kalenderwoche bei der Kindesmutter und mit anschließendem Wechsel „jeweils montags nach der Kita bzw. der Schule durch Abholung des dann betreuenden Elternteils“, bestehen keine Zweifel an der Vollstreckbarkeit dieser Regelung. Vielmehr war jeder Elternteil zur entsprechenden Herausgabe der Kinder durch Zulassung der Abholung durch den anderen am entsprechenden Montag sowie dazu verpflichtet, sich in der dem anderen Elternteil zugewiesenen Betreuungszeit jeglicher Einflussnahme auf die Kinder wie auch des Umgangs mit diesen zu enthalten. (vgl. in diesem Zusammenhang auch die weiteren zur Veröffentlichung bestimmten Senatsentscheidungen in den Verfahren 10 UF 270/19, 10 UF 16/20 und 10 WF 186/19)

OLG Celle Senat für Familiensachen, Beschluss vom 31.01.2020, 10 UF 10/20


Der Fall:

Die gemeinsam sorgeberechtigten Kindeseltern streiten vor dem Familiengericht Hannover in einer Vielzahl von Verfahren um ihre Kinder. Sie einigten sich - wohl mehr oder minder überredet - zu Protokoll auf ein vorläufiges Wechselmodell (Woche-Woche), welches familiengerichtlich genehmigt wurde incl. Hinweis auf Ordnungsmittel. Dies war für sinnvoll gehalten worden, um einem ergebnisoffenen Sachverständigengutachten, wo der dauerhafte Lebensmittelpunkt der Kinder sein solle, nicht vorzugreifen.

Die Mutter war auch schon mit ihrer Verzögerungstaktik, was die Begutachtung anging, unangenehm aufgefallen. Offenbar wollte man ihr keine Gelegenheit geben, weiter den Faktor Zeit für ihre Ziele zu benutzen.

Die Vereinbarung reute die Mutter sofort, so dass sie gegen den Billigungsbeschluss in Beschwerde ging und sich der vereinbarten Herausgabe der Kinder widersetzte.


Sie hat die Kinder aus KiTa und Schule trotz "Papawoche" eigenmächtig abgeholt und „einbehalten“. Das Familiengericht erteilte ihr hierfür sofort Quittung durch Übertragung der Aufenthaltsbestimmung auf den Vater und gab ihm einen Herausgabebeschluss inclusive Erlaubnis "unmittelbaren Zwanges". So gelangten die Kinder zum Vater.


Der OLG-Senat bestätigte die Vorgehensweise des AG in mehreren Verfahren und versagte der Mutter Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht.


Mehr Hartz IV für Kinder im Wechselmodell

Bundessozialgericht, Urteil v. 11.7.2019 - B 14 AS 23/18 R:

Bei der abwechselnden Betreuung minderjähriger Kinder nach dem familienrechtlichen Wechselmodell ist in die Bemessung existenzsichernder Leistungen nach dem SGBII neben den anteiligen Unterkunftskosten der Kinder unabhängig von ihrem Alter ein hälftiger Mehrbedarf bei Alleinerziehung einzustellen.


Bundessozialgericht, Urteil v. 29.8.2019 - B 14 AS 43/18 R

Ob aufgrund eines regelmäßig ausgeübten Umgangs ein erhöhter Wohnbedarf anzuerkennen ist, ist in jedem Einzelfall anhand einer konkreten Angemessenheitsprüfung festzustellen. Die Wahrnehmung eines regelmäßigen Umgangs genügt jedoch allein nicht, um typisierend einen erhöhten Wohnbedarf anzuerkennen.


Mutters Haus - Vaters Haus
Neuordnung nach Trennung

Erstes Ziel der Eltern sollte zeitnah nach der Trennung sein, klare Regelungen zu treffen. Im Interesse der Kinder ist es, möglichst bald konkret zu wissen, wer wo mit wem leben wird und wie der Kontakt gestaltet wird.
Einigen sich die Eltern, empfiehlt sich eine schriftliche Elternvereinbarung.
Die Möglichkeiten, zu einer Lösung zu kommen, sind - in der Reihenfolge der "Eskalationsstufen":

  •         Gespräch zwischen den Eltern
  •         Gespräch der Eltern mit vermittelnden Dritten (Freunde, Familie)
  •         Gespräch der Eltern mit unparteilichen Professionellen (Beratungsstelle, Jugendamt, Mediation)
  •         Austausch von Rechtsanwälten der Eltern, ggf. Gespräch zu viert
  •         richterliche Entscheidung im Verfahren um das Umgangs-, Aufenthaltsbestimmungs- oder Sorgerecht.

Zeitgemäßes Kindschaftsrecht ist auf einem langsamen Weg

Die Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“ haben sich Ende 2019 auf Thesen zu einer Reform des Sorge- und Umgangsrechts verständigt. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird diese Thesen jetzt prüfen und auswerten.Die Arbeitsgruppe war im April 2018 im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzt worden, um den Reformbedarf im Sorge- und Umgangsrecht, auch im Hinblick auf Fälle des Wechselmodells, umfassend zu erörtern. Ziel ist eine Reform, die auch moderne Betreuungsmodelle besser als bisher abbildet, einvernehmliche Lösungen erleichtert sowie die elterliche Verantwortung unter Berücksichtigung von Kindeswohl und Kindeswillen stärkt.

Die Arbeitsgruppe war mit 8 im Bereich des Familienrechts tätigen Sachverständigen aus Rechtswissenschaft, Justiz und Anwaltschaft besetzt.


Die Legislaturperiode bis Sommer 2021 ging zuende, ohne dass davon etwas umgesetzt wurde.

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