Private Krankenversicherung
und Unterhalt

GKV zumutbar? Wer zahlt den Mehrbedarf?

Nach der Scheidung können bisher privat versicherte Kinder unter Umständen in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert werden. Fraglich ist aber, ob dies erzwungen werden kann, wenn der Unterhaltspflichtige dies verlangt, um Kosten zu sparen.

Kinder sind häufig über die gesetzliche Krankenversicherung  ohne extra-Beitrag bei ihren Eltern mitversichert.
Diese Familienversicherung besteht für Kinder zunächst bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Danach verlängert sich dies bis zum 23. Lebensjahr, wenn das Kind nicht erwerbstätig ist und dann nochmal bis zum 25. Lebensjahr, wenn sich das Kind in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder ein freiwilliges soziales Jahr oder ein ökologisches Jahr leistet.

Über das 25. Lebensjahr hinaus verlängert sich die Familienversicherung um den Zeitraum eines Freiwilligendienstes, wenn sie die Schul- oder Berufsausbildung unterbrochen oder verzögert hat. Diese Verlängerung entspricht maximal der Zeit des regulären freiwilligen Wehr- oder Bundesfreiwilligendienstes oder der tatsächlichen Dauer des Dienstes.

Für behinderte Kinder verlängert sich die beitragsfreie Familienversicherung ohne Altersgrenze.
Anders in der privaten KV: Dort gibt es keine beitragsfreie Familienversicherung. Auf jedes Familienmitglied entfällt ein besonderer Beitrag, der sich individuell nach dem Umfang der Versicherungsleistung, nach dem Alter, nach Vorerkrankungen, nach der Dauer der Versicherungszugehörigkeit etc. richtet.


Nach der Scheidung bleibt die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder in der gesetzlichen Krankenkasse bestehen, wenn derjenige Elternteil, bei dem das Kind mitversichert ist, auch weiterhin Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt und die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreitet.

Der typische Fall:

Die Kinder waren seit ihrer Geburt privat krankenversichert. Sie leben nach der Scheidung bei der Mutter, die gesetzlich krankenversichert ist. Der Vater verlangt, dass die Kinder bei der Mutter in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei mitversichert werden. Er ist allenfalls bereit, die Kosten einer privaten Zusatzversicherung zu zahlen.

Die Entscheidungen:

OLG Koblenz, Urteil vom 19.1.2010 - 11 UF 620/09

Die Kosten für die private Krankenversicherung sind als angemessener Unterhalt des Kindes anzusehen, wenn das Kind seit seiner Geburt - wie auch seine Eltern während des ehelichen Zusammenlebens - privat krankenversichert war und der in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebende unterhaltspflichtige Elternteil auch nach der Trennung privat krankenversichert bleibt.

Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich grundsätzlich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (hier: des Kindes). Der angemessene Unterhalt richtet sich nach einer unter Umständen wechselnden Lebensstellung; gewöhnlich leiten Minderjährige ihren angemessenen Lebensbedarf von den Eltern ab. Ohne das Einverständnis des Unterhaltsberechtigten kann dieser Anspruch auf angemessenen Unterhalt nicht - auch nicht teilweise - durch eine Zusage des Unterhaltsverpflichteten ersetzt werden, für bestimmte nicht abgedeckte Kosten persönlich aufzukommen.

Da eine private Zusatzversicherung nicht die gleichen Leistungen bietet wie eine private Krankenversicherung, etwa in Bezug auf die freie Arztwahl, kann das Kind nicht auf eine solche Zusatzversicherung verwiesen werden. Zudem war es im vorliegenden Fall fraglich, ob bei ambulanten oder zahnärztlichen Leistungen bzw. bei Offenlegung der ADS-Erkrankung des Kindes zusätzliche Kosten entstehen würden.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.4.2012 - 3 UF 279/11:


Sowohl das Amtsgericht als auch das OLG gaben der Kindesmutter dem Grunde nach Recht. Wer zum Barunterhalt verpflichtet ist, kann zwar grundsätzlich verlangen, dass das erwerbstätige Elternteil die gemeinsamen Kinder (unter den Voraussetzungen des § 10 SGB-V) in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Das gilt auch nach der Scheidung der Eltern selbst dann, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen über der Beitragsbemessungsgrenze liegt (§ 10 Abs. 3 SGB-V ist dann nicht mehr anwendbar). Trotzdem mussten die Kinder nicht in die Familienversicherung. Die Richter waren der Ansicht, dass es im Rahmen des Kinderunterhalts angemessen sei, sie weiterhin privat zu versichern. Die Kinder waren seit ihrer Geburt privat versichert – eine Rückstufung zu den reduzierten Leistungen der gesetzlichen Versicherung sei unangebracht, zumal der Vater selbst weiterhin privat versichert ist.

Weil die Kinder seit ihrer Geburt privatversichert waren - so wie der Vater nach wie vor -, kann nur dann der Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung verlangt werden, wenn gewährleistet ist, dass die Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung den identischen Versicherungsschutz haben wie zuvor in der privaten. Dies nachzuweisen, ist hierbei die Pflicht des Vaters - also desjenigen, der den Beitrag für die private Krankenversicherung nicht mehr zahlen will. Der Nachweis ist aber nicht damit erbracht, wenn einfach eine Kopie der Versicherungsbestimmungen vorgelegt und behauptet wird, es liege identischer Versicherungsschutz vor. Insbesondere für die Bereiche der therapeutischen und der kieferorthopädischen Behandlung muss dies genau belegt werden. Diesen Nachweis erbrachte der Vater nicht. Deshalb wurde er zur weiteren Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags verpflichtet.



OLG Frankfurt/Main vom 26.2.2020 - 6 UF 237/19


Der Anspruch auf eine angemessene Krankenversicherung zählt zum angemessenen Lebensbedarf eines Kindes.


Der barunterhaltspflichtige Elternteil muss die Kosten einer privaten Krankenversicherung tragen, wenn ein Kind nicht mit einem Elternteil mitversichert ist.


Ist das Kind privat versichert und ergibt sich erst später (durch beruflichen Wechsel eines Elternteiles) die Möglichkeit der beitragsfreien Mitversicherung mit einem Elternteil, kann der Barunterhaltsverpflichtete das Kind nach § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB im Einzelfall auf die gesetzliche Krankenversicherung verweisen. Die Minderleistung der GKV muss durch eine private Zusatzversicherung kompensiert werden.


Eine für die Unterhaltsbemessung des Kindes von den Eltern abgeleitete Lebensstellung ist nicht statisch, sondern dem Wandel der Lebensverhältnisse der Eltern unterworfen.


Ist der das Kind betreuende Elternteil privat versichert, der Barunterhaltspflichtige gesetzlich, wirkt sich dies auf die Lebensstellung des Kindes nach § 1610 Abs. 1 BGB aus. Dabei hat Relevanz, wie die Halbgeschwister versichert sind.


Achtung, diese Entscheidungen betrafen minderjährige Kinder.



Volljährige Schüler, Studenten und private KV

Auch für volljährige Kinder bestimmt sich deren Unterhaltsbedarf nach den finanziellen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen, so lange wie der Volljährige noch keine eigene Lebensstellung erlangt hat. Während der Ausbildung – unabhängig davon ob das Kind zuhause wohnt oder einen eigenen Hausstand hat – gelten daher die o.g. Grundsätze fort, die für minderjährige Kinder gelten. Volljährige Kinder müssen nicht mit dem pauschalen Tabellenbetrag auskommen, wenn die Eltern in überdurchschnittlich guten finanziellen Verhältnissen leben. Dann hat auch das Kind Anteil an dem gehobenen Lebensstandard. Bei besonders hohen Einkünften der Eltern des Volljährigen (oberhalb der Einkommensgruppe 10 der Unterhaltstabelle) ist jedoch zu beachten, dass eine Teilhabe am Luxus nicht Sinn und Zweck eines Unterhaltsanspruchs ist. Deshalb wird bei solchen Eltern der Unterhalt auf ein vernünftiges Maß begrenzt. Eine private KV dürfte hier jedoch als vernünftig gelten.

Ist das Kind seit der Zeit der Minderjährigkeit nicht bei einem Elternteil gesetzlich krankenversichert, so erhöht sich sein Bedarf also um den anfallenden Beitrag zur Krankenversicherung. Die weitere Berechnung der Haftungsanteile der Eltern erfolgt wie beim Ehegattenunterhalt durch Vorwegabzug vom bereinigten Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen (siehe zumeist Nr. 11.1 der Leitlinien).

Erst wenn die eigene Ausbildung abgeschlossen ist, hat das Kind eine eigene Lebensstellung und keinen Anspruch mehr auf Teilhabe an z.B. einer privaten KV. Der Volljährige erlangt erst dann eine eigene Lebensstellung i.S.d. § 1610 BGB, wenn er sich endgültig aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Eltern gelöst hat.


Muss die Mutter sich am KV-Beitrag beteiligen?

Mutter verbeamtete Lehrerin, Vater Richter, alle sind beihilfeberechtigt und privat krankenversichert.
Muss der Vater zusätzlich zum Elementarunterhalt auch die KV-Beiträge zahlen, wenn die Kinder nach der Trennung bei der Mutter leben? Oder ist das Mehrbedarf, der im Verhältnis der Einkünfte auf die Eltern aufgeteilt wird?

BGH, Urteil vom 07.02.2018 - XII ZB 338/17:
Über den Antrag der minderjährigen Kinder auf weiteren Unterhalt im Umfang ihrer Krankenversicherungsbeiträge war ohne materiellrechtliche Bindung an die vom Antragsgegner einseitig erstellten Jugendamtsurkunden zu entscheiden.
Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Anspruch auf eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung zum angemessenen Lebensbedarf der Antragsteller gehört, so dass die privaten Krankenversicherungsbeiträge der Antragsteller für die Zeit ihrer Minderjährigkeit allein vom barunterhaltspflichtigen Antragsgegner zu tragen sind.
Das Verlangen des Antragsgegners, die Krankenversicherungsbeiträge der Antragsteller nach § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB in Form von Sachleistungen erbringen zu dürfen, hat das Oberlandesgericht mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

Die Entscheidung enthält noch interessante Ausführungen zum familienrechtlichen Ausgleichsanspruch, zur Verwirkung wegen Zeitablaufs, zum Beamten-Kinderzuschlag und zum erhöhten Beihilfesatz sowie zur Beteiligtenstellung der Mutter.


Achtung bei der übrigen Unterhalts-Berechnung (Elementarunterhalt, Ehegattenunterhalt, Volljährigenunterhalt):

Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil die Kosten der privaten Krankenversicherung zahlt, muss dieser Monatsbeitrag von seinem Einkommen abgezogen werden, bevor die Düsseldorfer Tabelle angewendet wird. Möglicherweise reduziert sich dadurch der Elementarunterhalt für dieses Kind.


Alleinentscheidung der Mutter

Die allein sorgeberechtigte Mutter ist ohne Rücksprache mit dem Vater berechtigt, die bei der gesetzlichen Krankenversicherung des Vaters mitversicherten unterhaltsberechtigten Kinder in einer privaten Krankenversicherung zu versichern (OLG München, Vergleich, 14.1.02, 26 UF 1456/01, n.v.).

Der unterhaltsverpflichtete Vater muss die Entscheidung der Mutter zum Wechsel der Krankenversicherung akzeptieren, auch wenn er der Meinung ist, dass die Leistungen der gesetzlichen Versicherung im Prinzip die gleichen wie die einer privaten Krankenversicherung sind. Die private Krankenversicherung führt nämlich grundsätzlich zu einer besseren ärztlichen Behandlung der Kinder. Die Mutter kann daher allein entscheiden, den Abschluss einer privaten Krankenversicherung für die Kinder zu initiieren und die Zusatzkosten für die Krankenversicherung vom Vater zusätzlich zum Barunterhalt zu verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn die Kinder beim Vater kostenlos in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert waren.
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