Corona-Pleite, Kurzarbeit, Soforthilfe, Überbrückungshilfe und Unterhalt-Abänderung

Corona macht nicht nur gesundheitliche Sorgen, sondern auch finanzielle. Selbständige, die von heute auf morgen ihren Laden schließen müssen und nicht wissen, ob das Infektionsschutzgesetz für sie Entschädigungen vorhält; Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit geschickt werden und nur noch 67% Lohn bekommen – da herrscht in vielen Familien spontan Existenzangst. Bei Selbständigen sollen staatliche Hilfen das Überleben sichern. Man rückt zuhause zusammen und spricht sich Mut zu „Das schaffen wir schon“.
Was aber, wenn die Familie nicht zusammenrückt, weil sie getrennt lebt?

Und was, wenn ein Teil der Familie wirtschaftlich vom anderen abhängt – sprich Unterhalt bezieht?


Erste Frage: Gibt es einen Unterhaltstitel?

„Tituliert“ bedeutet, dass der Unterhaltspflichtige beim Jugendamt oder Notar freiwillig unterschrieben hat, wieviel Unterhalt er schuldet, oder dass es ein Gerichtsverfahren gab, an dessen Ende durch richterlichen Beschluss oder Einigung eine Zahl stand.
Gibt es so einen Titel, droht bei Nichtzahlung sofort die Zwangsvollstreckung z.B. durch Kontenpfändung.    
Außerdem laufen durch Nichtzahlung die Rückstände zu Schulden auf.
Es ist also dann keine gute Idee, einfach die Zahlungen einzustellen.
Nur wer ohne Titel – also sozusagen freiwillig – zahlt, kann überhaupt einseitig kürzen.
Dass er dies mit dem Anderen kommunizieren sollte, ist ein Gebot der Fairness, denn dort können ggf. öffentliche Sozialleistungen beantragt werden, um die Lücke zu füllen.

Liegt also ein Titel vor, wären die richtigen Maßnahmen:

Aus Sicht des Unterhaltspflichtigen, der weniger zahlen möchte:

a)    Man einigt sich mit dem Unterhaltsberechtigten auf eine Kürzung, Stundung, zeitweiligen Verzicht der Vollstreckung, Ratenzahlung.
Achtung: Die Parteien eines gerichtlichen Vergleichs können diesen außergerichtlich zwar als materiell-rechtlichen Vertrag ändern, aber nicht als Vollstreckungstitel. Auch eine Jugendamtsurkunde kann z.B. nicht durch eine spätere Jugendamtsurkunde abgeändert werden. Wenn beide Seiten sich inhaltlich einig sind, kann aber außergerichtlich vereinbart werden, dass der Gläubiger auf die Rechte aus dem früheren Titel verzichtet, und ein neuer Titel mit anderem Inhalt errichtet wird.   
Allerdings wird die Gegenseite mit guten Gründen einwenden, dass man bei vorübergehenden Zahlungsengpässen lieber davon Gebrauch machen soll, Zahlungen z.G. auf Strom, Gas, Versicherungen, Telefon oder Miete einzustellen, vgl. hier.

b)    Man beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Gericht. Die Erfolgsaussichten werden davon abhängen, ob man mit einer eidesstattlichen Versicherung und ggf. weiteren Unterlagen glaubhaft machen kann, dass der titulierte Unterhalt nicht mehr geschuldet ist.

c)    Man verbindet letzteres zeitgleich mit einem Abänderungsbegehren nach §§ 238, 239 FamFG. Da kann man dann noch die weitere Entwicklung abwarten, bis man die Gründe beweisen kann. Es besteht ein nicht unerhebliches Kostenrisiko, dass der Antrag ein "Rohrkrepierer" war und zurückgenommen werden muss, wenn der Einkommensrückgang nur kurzfristig war und ggf. später sogar wieder eingeholt wird (Mehr Umsätze beim Selbständigen, Überstunden beim Angestellten).

Sowohl betreffend die Entscheidung hierüber als auch betreffend die vollstreckungsgerichtliche Unterstützung auf Gläubigerseite herrscht allerdings heute völlige Unklarheit, ob die Gerichte diese Verfahren zeitnah betreiben können.

Anders lässt sich aber keinesfalls eine Überzahlung rückfordern - siehe unten.
Wir müssen also Pro und Contra und Ihr Kostenrisiko gemeinsam abwägen.

Einfacher zu lösen ist das Thema aus Sicht des Unterhaltsberechtigten, der wegen Einkommenseinbuße mehr Unterhalt benötigt:
Hier genügt eine außergerichtliche Inverzugsetzung, ohne großes Kostenrisiko.

Materiellrechtliche Abänderungsvoraussetzungen

Neben diesen formalen Fragen ist zu prüfen, ob inhaltlich (materiellrechtlich) überhaupt Abänderung möglich ist.

a)    Beim Kindesunterhalt sehen die Einkommensgruppen Spannen von 400 € netto vor. Wer in Kurzarbeit geht, bekommt zwar nur 67% seines Nettoeinkommens, jedoch fallen auch berufsbedingte Aufwendungen wie Fahrtkosten weg. Ggf. führt die Kurzarbeit also gar nicht dazu, dass eine andere Einkommensgruppe zutrifft.

b)    Beim Kindesunterhalt für minderjährige Kinder gibt es den sog. Mindestunterhalt, der nicht ohne Grund so heißt: Es gibt jede Menge Überlegungen, warum normalerweise jeder Vater / jede Mutter so viel Geld auftreiben kann, dass er sich dies leisten kann, und sei es durch Nebenjobs. Das ist die "gesteigerte Erwerbsobliegenheit". Nun haben wir keine „normalen Zeiten“. Dennoch bleibt: wer weniger als Mindestunterhalt zahlen will, muss etwas dazu vortragen, warum er komplett unverschuldet nicht einmal 1.300 € (Selbstbehalt plus Mittelwert Kindesunterhalt je nach Alter des Kindes) verdienen kann. Zu prüfen wäre z.B., ob spontane Einsätze als Erntehelfer oder als Lagerist im Lebensmittelhandel möglich und zumutbar sind, denn in diesen Branchen herrscht gerade coronabedingt Arbeitskräfte-Mangel.

c)    Beim Unterhalt, der für getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten zu zahlen ist, sieht das Ganze etwas anders aus. Zum einen gibt es hier nicht die „gesteigerte“ Erwerbsobliegenheit wie beim Minderjährigenunterhalt, zum anderen gibt es keine Tabelle mit 400 € Einkommensspielraum, sondern jeder Erwerbs-Euro macht sich mit 43 Cent (3/7-Methode) oder 45 Cent (Süddeutschland) bemerkbar.
Außerdem kann auch der Unterhaltsberechtigte von Corona-Einbußen betroffen sein und dadurch höheren Anspruch als zuvor haben. Besondere Bedeutung bekommen da Einkommensausfälle wegen der Betreuung von gemeinsamen Kindern, die sonst fremdbetreut waren, aber deren Einrichtungen geschlossen sind.


Moratorium (Zahlungsaufschub durch Gesetz)

Wenn der Unterhaltspflichtige von einem sog. "Moratorium" Gebrauch machen kann, also seinerseits Zahlungen auf Verbindlichkeiten wie Miete aufschieben darf, erhält das ggf. seine Leistungsfähigkeit für den Unterhalt.

Welches Verfahren? Beschluss oder Vergleich?

Ist der Unterhalt richterlich entschieden worden, hat man es im Abänderungsfall immerhin mit der „Rechtskraft“ zu tun – die zu durchbrechen ist schwieriger als die Abänderung eines Vergleiches. Hier geht man nach § 238 FamFG vor. Es werden die „Billigkeitstheorie“ und die „Aktualisierungstheorie“ vertreten.

Hingegen gilt § 239 FamFG, wenn eine Einigung abzuändern ist. Dabei kommt es in erster Linie auf die getroffene Vereinbarung und deren ersichtliche Grundlagen an.
Details – vor allem Präklusionsfragen - führen hier zu weit und haben mit der spezifischen Corona-Situation nichts zu tun.

Wesentlichkeitsschwelle

Nicht jede Änderung berechtigt zur Abänderung – dagegen hat die Rechtsprechung den Begriff der „Wesentlichkeitsschwelle“ entwickelt. Diese gilt jedenfalls für Unterhaltsbeschlüsse – nicht zwingend für Vergleiche und Urkunden - ist jedoch nicht starr. Durch die Literatur geistert eine „10-Prozent“-Schwelle, was man als Anhaltspunkt nehmen kann (Gemessen wird nicht die Einkommensveränderung, sondern die des Unterhaltsbetrages).
Der BGH hat allerdings in keiner einzigen Entscheidung den Abänderungsantrag von der Einhaltung der 10 %-Grenze abhängig gemacht - er hat lediglich 1994 eine Abweichung von weniger als 3 % als unwesentlich bezeichnet.
Vor allem bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten kann die Wesentlichkeit bereits deutlich unterhalb dieser Schwelle anzunehmen sein.

Nachhaltigkeit der Veränderung

Für das akute Thema „Corona“ relevanter ist die Frage der Dauer. Es kann immer noch niemand absehen, für welchen Zeitraum die Pandemie-Einschränkungen der Arbeitswelt herrschen bzw. diese nachhaltig verändern. Um einen Unterhaltstitel wegen veränderter Umstände abändern zu können, muss die wesentliche (s.o.) Veränderung aber nachhaltig sein. Angenommen, man wüsste, dass in 2 Monaten alles wieder normal weitergeht und dann vielleicht sogar bezahlte Überstunden geleistet werden müssen, um die liegen gebliebene Arbeit abzubauen – glasklar ein Fall ohne Abänderungsmöglichkeit.


Korrektur der Prognose

Eine „monatsweise“ Betrachtung wie z.B. bei öffentlichen Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern scheidet im Familienrecht üblicherweise aus. Immer wird Unterhalt prognostiziert anhand Erkenntnisse der Vergangenheit; so etwas kennt das Sozialrecht nicht.
Also geht es um die Frage, ob und wie diese Prognose an die neuen Verhältnisse anzupassen ist.
Der Richter hatte bei der Errichtung des Titels die Aufgabe übernommen, bei seiner Entscheidung über den Anspruch neben den vorliegenden und den zuverlässig zu erwartenden Umständen vorausschauend auch die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen.
Denkbare Abweichungen der Realität von dieser Prognose und damit auch nicht nur kurzfristige Ungerechtigkeiten nimmt das Gesetz hin, wie man z.B. an § 1605 BGB sieht, wonach üblicherweise zwei Jahre gewartet werden muss, bis wieder eine Anpassung an gestiegenes Einkommen des Unterhaltspflichtigen erfolgen kann.
Prognostiziert wird ja auch in der Regel ein „Jahreseinkommen“, aus dessen Zwölftel dann die Leistungsfähigkeit berechnet wird.
Die Prognose gilt also als richtig, und bleibt ein voll gültiger Vollstreckungstitel, auch wenn sich die Verhältnisse anders entwickeln – bis eben eine förmliche Abänderung begehrt wird.
Aber wer weiß heute schon, ob das, was uns erwartet, kurz-, mittel- oder gar langfristige Einbußen sind und wie sein Jahreseinkommen 2020 aussehen wird? Nicht ganz unwahrscheinlich ist auch, dass Betriebe sich von der „Social-Distancing“- bzw. „FlattenTheCurve“-Phase gar nicht mehr erholen.

Überzahlung: unter Vorbehalt Gezahltes gibt es nicht stets zurück

Wer nun einen Unterhalt weiterzahlt, von dem er erst in einigen Monaten weiß, dass er ihn sich eigentlich nicht hätte leisten können, weil die Einkommenseinbuße nachhaltig und wesentlich ist, bekommt ein Problem:
Zuviel gezahlter Unterhalt kann grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Und zwar auch dann nicht, wenn sich erst im Nachhinein herausstellt, dass die Unterhaltszahlung zu hoch war oder dass gar kein Unterhaltsanspruch bestand.
Dabei geht das Gesetz nämlich davon aus, dass der Unterhalt zum Verbrauch bestimmt – also im besten Wortsinn verzehrt – ist, so dass der Unterhaltsempfänger sich auf „Entreicherung“ berufen kann.

Dagegen hilft übrigens nicht der Zusatz “Zahlung unter Vorbehalt” - jedenfalls nicht, so lange nicht zugleich ein gerichtliches Abänderungsverfahren läuft.

Laufende Unterhaltsverfahren

Wie einzelne Richter auf die Situation reagieren, liest man hier.

Es ging um einen Fall, in dem eigentlich im April 2020 der Unterhaltsbeschluss hätte verkündet werden sollen - das wurde verschoben.

Im Rahmen der richterlichen Freiheit hat dies keine Bindungswirkung für andere Richter, aber vielleicht Vorbildwirkung.



Fazit

Wer sich mit dem Unterhaltsgläubiger nicht irgendwie einigt, muss den richtigen Augenblick erkennen, in dem er von einer wesentlichen und nachhaltigen Einkommensreduzierung ausgeht, und dann unverzüglich (anwaltlich vertreten!) nach § 241 FamFG vorgehen.
Mit Anhängigkeit dieses Antrages können die weiteren Zahlungen als Darlehen oder "unter Vorbehalt" deklariert und später zurückgefordert werden - allerdings nicht für Zeiträume, die vor dem Abänderungsantrag liegen.

AG Pankow: Gastronom kann Unterhalt auf Null reduzieren

AmtsG Pankow/Weißensee Beschl. v. 8.12.2020 – 13 F 6681/18 (Eilverfahren):


Ein selbständiger Gastronom und Veranstaltungs-Caterer war zu über 1.000 € Trennungsunterhalt verpflichtet, weil er rd. 3.000 € mtl. Einkommen hatte, und begehrte ab 09/2020 eine Abänderung auf Null wegen des Corona-Lockdown.

Er habe im ersten Halbjahr erhebliche Verluste erwirtschaftet, seine Reserven verbraucht und sei mit über 60 Jahren nicht mehr in ein Angestelltenverhältnis vermittelbar.

Die Ehefrau bestritt die Einbußen und meinte, Unterhalt sei stets aus dem Durchschnitt von drei Jahren zu berechnen.


Der frühere Unterhalts-Beschluss wurde vom AG mit einer einstweiligen Anordnung abgeändert, da der Ehemann hinreichend und an Eides statt versichernd dargelegt habe, dass er zurzeit im Hinblick auf den Trennungsunterhalt nicht leistungsfähig sei.


Das Gericht erläutert, warum bei Selbstständigen das Einkommen normalerweise aufgrund eines Dreijahresdurchschnitts ermittelt wird: Weil angenommen wird, dass in guten Jahren Rücklagen gebildet werden, aus denen der Unterhalt in schlechteren gezahlt werden kann. Der Unterhaltsschuldner ist daher regelmäßig verpflichtet, Gewinnschwankungen einzukalkulieren, Rücklagen zu bilden oder sogar Kredite aufzunehmen.


Mit dieser Argumentation wurde in der Literatur vertreten, dass eine Abänderung von bestehenden Unterhaltstiteln aufgrund von Corona erst zum 1.1.2021 verlangt werden kann, weil sich erst dann der mögliche coronabedingte Einkommensrückgang unterhaltsrechtlich auswirkt.

 

Hier aber führt das AG aus:

„Die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eintretende kurzzeitige Verringerung der Betriebseinnahmen führt auf der Bedarfsebene nicht zu einer Verringerung des relevanten Einkommens. Denn hierfür kommt es wie ausgeführt auf den Durchschnitt der Einkünfte in den vergangenen drei Jahren an. Zudem sind Jahre mit außergewöhnlichen Ereignissen bei der Durchschnittsberechnung für den laufenden Unterhalt nicht zu berücksichtigen. Da das Corona-Jahr 2020 zweifellos als ein solches außergewöhnliches Jahr anzusehen ist, wäre die Einkommensberechnung aus dem Dreijahresschnitt unter Ausblendung des Jahres 2020 vorzunehmen. Lediglich dann, wenn sich der im Jahr 2020 eingetretene Einkommensrückgang als dauerhaft herausstellt, hätte die Unterhaltsberechnung auf Grundlage des Einkommens auch und wohl auch nur auf Basis des Einkommens ab 2020 zu erfolgen. Dies bedeutet aber nicht, dass coronabedingte Einkommensrückgänge des Selbstständigen bei der Unterhaltsberechnung keinerlei Berücksichtigung finden könnten. Kurzfristige und damit auf der Bedarfsebene nicht zu berücksichtigende Einkommensrückgänge sind vielmehr auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.“


Die Pandemie und der Lockdown in der Branche des Ehemannes war so unvorhersehbar, dass von einem Unterhaltsschuldner nicht erwartet werden konnte, dass er für derartige Fälle so ausreichend Vorsorge treffe, dass er sich selbst weiter finanzieren und ungeschmälert Unterhalt zahlen könne. Dazu griff das Gericht auf die "allgemeine Lebenserfahrung" zurück. Die Minderung der Leistungsfähigkeit sei auch nicht mehr kurzfristig, denn zum Zeitpunkt der Entscheidung im Dezember 2020 war gerade erneut ein Lockdown angeordnet worden, auf unbestimmte Zeit. Die Gastronomiebranche, insbesondere der Bereich des Caterings und der Großveranstaltungen, lag brach.


Allerdings lief hier parallel zu diesem Eilverfahren noch ein Hauptsacheverfahren um den Unterhalt, in dem dann auch retrospektiv 2020/2021 erneut beurteilt werden würden und der Gastronom ggf. nachzahlen muss, wenn er durch staatliche Hilfen und/oder Außer-Haus-Verkauf leistungsfähig war oder hätte sein können.


Corona-Soforthilfe, Neustarthilfe und -Überbrückungshilfe im Unterhalt

Bund und Länder haben Unternehmer, die wegen Corona-Einschränkungen Umsatzausfälle hatten, mit verschiedenen finanziellen Hilfen unterstützt. Im Frühjahr 2020 gab es eine unbürokratische pauschale „Soforthilfe“, später „Überbrückungshilfen“.

Wenn ein solcher Unternehmer Unterhaltspflichten hat, ist natürlich fraglich, ob diese Einnahmen ein „unterhaltsrelevantes Einkommen“ sind. Das OLG Frankfurt/Main hatte mit Beschluss vom 26.04.2021 - 8 UF 28/20 – zur Soforthilfe entschieden. Dort hatte ein Unternehmer 2020 ähnlichen Gewinn wie 2019 gehabt – aber nur, weil auch rd. 7000 € als Soforthilfe des Landes Hessen gutgeschrieben worden waren. In 2021 hatte er in derselben Größenordnung eine Corona-Neustarthilfe bekommen.

Das OLG hatte im April 2021 über das Jahr 2020, 2021 und die Zukunft zu entscheiden.

Für 2020 rechnete das OLG Frankfurt/Main ohne die Corona-Soforthilfe: „Sie soll nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken (BGH, Beschluss vom 10. März 2021 - VII ZB 24/20, Rn. 11, juris = NJW 2021, 1322-1324). Aufgrund ihrer Zweckbindung stehen die Zuschüsse nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung (Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK- BGB, 9. Aufl., § 1361 BGB (Stand: 13.04.2021), Rn. 370_1). Sie können entsprechend auch nicht den eheangemessenen Lebensbedarf bestimmen.“

Auch bei Selbstständigen ist für die Unterhaltsberechnung für vergangene Zeiträume nicht auf einen Drei-Jahres-Schnitt, sondern auf die Einkünfte im konkret betroffenen Kalenderjahr zurückzugreifen (vgl. BGH, Urteil vom 04. Juli 2007 - XII ZR 141/05 = FamRZ 2007, 1532, Rn. 23; = FamRZ 2020, 584-585).

Anderes gilt für den laufenden Unterhalt in 2021ff.

Im Rahmen der für die Zukunft anzustellenden Prognose ist allerdings wieder an den Gewinn aus einem zeitnahen Dreijahreszeitraum anzuknüpfen. Bei der Ermittlung des beim laufenden Unterhalt zu berücksichtigenden Einkommens von Gewerbetreibenden und Selbstständigen ist wegen der jährlich der Höhe nach stark schwankenden Einkünften grundsätzlich ein möglichst zeitnaher Mehrjahresdurchschnitt zu bilden, damit nicht ein zufällig günstiges oder ungünstiges Jahr als Maßstab für die Zukunft dient. Dies gilt vor allem dann, wenn in Zukunft mit weiteren Schwankungen zu rechnen ist. In der Regel wird ein Zeitraum von drei Jahren als erforderlich und ausreichend angesehen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985 - IVb ZR 52/84 -, Rn. 26, juris = FamRZ 1986, 48; Spieker in: Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rn. 420, beck-online). Kurzzeitige Verringerungen der Betriebseinnahmen führen demgegenüber auf der Bedarfsebene nicht zu einer Verringerung des relevanten Einkommens (vgl. Witt in: BeckOGK, 1.2.2021, § 1578 BGB, Rn. 62; Niepmann, Unterhalt in den Zeiten von Corona, NZFam 2020,383).

Der infolge der Corona-Pandemie im Jahr 2020 eingetretene leichte und im Jahr 2021 deutliche Rückgang der Einkünfte des Antragstellers führen vor diesem Hintergrund nicht zu einer abweichenden Berechnung des eheangemessenen Bedarfs, da derzeit noch in keiner Weise abzusehen ist, ob und ggf. für welchen Zeitraum sich hieraus ein anhaltender Rückgang des Einkommens des Antragstellers ergibt, ob ggf. nach einem möglichen Ende des „Lockdowns“ die Verluste kompensierende höhere Einnahmen zu erwarten sind und in welchem Ausmaß die Auswirkungen der Pandemie die üblichen Schwankungen im Einkommen eines Selbstständigen übersteigen. Lediglich dann, wenn sich der ab 2020 eingetretene Einkommensrückgang als dauerhaft herausstellt, müsste die Unterhaltsberechnung nur auf Basis des Einkommens ab 2020 zu erfolgen (so auch Witt, a.a.O., § 1578 BGB, Rn. 62; Niepmann, a.a.O., NZFam 2020, 383 (384)).

Demgegenüber wird auch die Ansicht vertreten, es liege eine derart einschneidende Zäsur vor, dass auf die Daten aus der Vergangenheit für die zu treffende Prognose nicht mehr zurückgegriffen werden könne. Dies sei sowohl für den Unterhaltspflichtigen als auch den Unterhaltsberechtigten regelmäßig nicht zumutbar. Eine erkennbar unzutreffende Prognose zur künftigen Entwicklung der Einkommensverhältnisse sei unterhaltsrechtlich nicht zulässig. Es sei daher als Grundlage der künftigen Unterhaltspflicht auf die Minderung der Einkommensverhältnisse abzustellen (vgl. Borth, Coronakrise und Unterhalt, FamRZ 2020, 653 (655); Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK- BGB, 9. Aufl., § 1361 BGB (Stand: 13.04.2021), Rn. 349_3; Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 3. Kap., Bedarf. Bedürftigkeit. Leistungsfähigkeit. Einzelprobleme, Stichwort: Corona-Krise, Rn. 111a, beck-online).

Mit einer Berücksichtigung des Einkommensrückgangs bereits auf der Bedarfsebene kann man aber der Tatsache weniger gerecht werden, dass es sich voraussichtlich um eine nur temporäre, von der Dauer aber nicht abschätzbare Entwicklung handelt, als durch eine Berücksichtigung erst auf der Ebene der Leistungsfähigkeit. Kurzfristige Einbußen können ggf. auch durch Rücklagen oder sonstige Mittel aufgefangen werden. Gerade hierfür dient das Abstellen auf einen Mehrjahresschnitt, der insoweit den prägenden Bedarf und die ehelichen Lebensverhältnisse besser wiederspiegelt. Dass aufgrund einer kurzfristigen und nicht zwingend dauerhaften Entwicklung dieser Bedarf durch die aktuellen tatsächlichen Einnahmen kurzfristig nicht gedeckt werden kann, ist mitsamt der Prüfung, ob hierfür auf andere Mittel zurückzugreifen ist, vorzugswürdig erst bei der Frage der Leistungsfähigkeit zu betrachten (so auch Witt, a.a.O., § 1578 BGB, Rn. 62; AG Pankow-Weißensee, Beschluss vom 08.12.2020 - 13 F 6681/18, FamRZ 2021, 423).

Bei der Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs ist daher auf die Einkünfte des Antragstellers aus den letzten drei Kalenderjahren abzustellen, wobei auch das schon durch Corona beeinflusste Jahr 2020 mit einbezogen wurde, da das Einkommen des Antragstellers im Jahr 2020 sich noch nicht gravierend von den Jahren zuvor unterscheidet.


Beim OLG Bamberg landete ein Jahr später wieder ein Unterhaltsfall mit staatlichen Coronahilfen.

Mit Beschluss vom 31.03.2022 - 2 UF 23/22 – grenzte Bamberg sich zu Frankfurt ab:

Einnahmen aus der Corona-Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe III) sind gewinnerhöhend bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Leistungsbeziehers zu berücksichtigen (in Abgrenzung zu OLG Frankfurt, Beschluss v. 26.04.2021, Az. 8 UF 28/20 für die in den ersten Monaten der Pandemie ausgezahlte Corona-Soforthilfe).2. Anders als Corona-Soforthilfen, die in den ersten Monaten der Pandemie als reine Billigkeitsleistung nicht an entgangene Umsätze anknüpften, sondern allein der Hilfe in existentieller Notlage dienten, bestimmt sich die Höhe des Überbrückungsgeldes III nach betrieblichen Kennzahlen zum Ausgleich erheblicher Umsatzausfälle.3. Der gesetzgeberische Zweck der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz erfasst nach Sinn und Zweck die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfebeziehers und damit sekundär auch die wirtschaftlich von diesem abhängigen Unterhaltsberechtigten. Demgegenüber diente die Corona-Soforthilfe nicht dem Ersatz entgangener Umsätze und Gewinne.

Der Berücksichtigung der vom Antragsgegner vereinnahmten Überbrückungshilfe steht auch nicht entgegen, dass diese bis Ende des Jahres über einen prüfenden Dritten schlussabzurechnen ist. Einerseits hat der Antragsgegner bereits nicht substantiiert Umstände vorgetragen, aus denen sich eine eventuelle Rückzahlungsverpflichtung ergeben kann. Nachdem bereits die Antragstellung durch einen Steuerberater auf Grundlage vorliegender betrieblicher Kennzahlen zu erfolgen hatte, besteht zunächst eine Vermutung dahingehend, dass die Höhe der erhaltenen Abschlagszahlung dem tatsächlich bestehenden Anspruch angenähert ist. Gegenteiliges hat der Antragsgegner nicht dargelegt. Andererseits sind Zu- und Abflüsse bei Vereinnahmung und Abrechnung des Überbrückungsgeldes nach dem In-Prinzip jeweils bezogen auf den Zeitpunkt ihres Anfalls zu berücksichtigen, mithin für 2021 das vom Antragsgegner bezogene Überbrückungsgeld.



Auch das OLG Bamberg sagte etwas zu der schematischen Durchschnittsbildung von Dreijahreszeiträumen:

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist für den hier gegenständlichen, in der Vergangenheit liegenden Unterhaltszeitraum nicht von einem den gesamten Unterhaltszeitraum umfassenden Mehrjahresschnitt der Einkünfte des Unterhaltspflichtigen auszugehen. Maßgeblich bei nach Zeitabschnitten bestimmten rückständigem Unterhalt sind stets die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Einkünfte, wobei zur Vereinfachung der Berechnung von einem Jahresdurchschnitt ausgegangen werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 04.07.2007, Az. XII ZR 141/05). Dementsprechend hat der Senat die in den Jahren 2018 bis 2022 jeweils tatsächlich erzielten Einkünfte des Antragsgegners der Bestimmung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin zugrunde gelegt.


 


Unterhalt wegen Kinderbetreuung durch Schließung von Schule und KiTa

Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB (Geschiedene) oder § 1615 l BGB (Unverheiratete) rechtfertigt sich ausschließlich daraus, dass wegen der Kinderbetreuung eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

Hier können durch die corona-bedingte Schließung von Fremdbetreuungseinrichtungen Unterhaltstatbestände entstehen, die es bislang gar nicht gab, weil eine volle Erwerbstätigkeit möglich war.


Aber:

OLG Köln Beschl. v. 1.3.2021 – II-25 UF 147/20 zu Unterhalt nach § 1615l bei einem 5jährigen Kind

Soweit aufgrund der Corona-Pandemie beschränkte Betreuungszeiten der Kindertagesstätte bestehen, wirkt sich dies auf die bestehende Erwerbsobliegenheit der Mutter nicht aus, da insoweit nur vorübergehende Mehrbelastungen auftreten. Auch können diese durch die Inanspruchnahme der Kinderkrankentage sowie Arbeit im Home-Office ausgeglichen werden.



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