Abstammungsrecht

Abstammung - Anerkennung - Vaterschaft

„Die Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat."
Dass solche Banalitäten im Gesetz stehen müssen, liegt am technischen Fortschritt - man denke an Leihmutterschaft.
Von größerer praktischer Relevanz ist:

Wer ist eigentlich der Vater?

Die leibliche Vaterschaft für ein Kind ist unveränderlich. Die rechtliche Vaterschaft richtet sich nach dem Rechtsverhältnis zum Kind.
Wir unterscheiden insgesamt zwischen dem gesetzlichen Vater - der ein Scheinvater sein kann - und dem leiblichen Vater (Erzeuger) und dem sozialen Vater.

Leiblicher Vater ist, wer das Kind gezeugt hat, also der Erzeuger.

Gesetzlicher Vater ist derjenige,
• der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war oder
• der die Vaterschaft anerkannt hat oder
• dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wird oder
• der das Kind adoptiert hat.

Scheinvater ist er, wenn er zwar gesetzlich als Vater scheint, es aber biologisch nicht ist.
Der soziale Vater ist der, der mit dem Kind in einer Familie lebt und als Vater angesehen wird.

Vaterschaftsrecht muss bis Juni 2025 geändert werden

Aus der Verfassungsbeschwerde eines leiblichen Vaters entsteht nun Handlungsbedarf für den Gesetzgeber.


Nach derzeitiger Gesetzeslage bleiben die Rechte des leiblichen Vaters auf der Strecke, wenn es einen anderen rechtlichen Vater gibt, der in einer familiären Beziehung mit dem Kind lebt. Der leibliche Vater kann kein Sorgerecht bekommen und seinen Familiennamen nicht weitergeben. Er hat kein so ausgeprägtes Umgangsrecht wie ein rechtlicher Vater. Er kann auch nicht die rechtliche Vaterschaft des anderen Mannes anfechten, auch wenn unstreitig ist, dass er der biologische Vater ist.


§ 1600 Abs. 2 und Abs. 3 BGB sehen nämlich vor, dass das Vaterschaftsanfechtungsrecht des – feststehend – biologischen Vaters ausnahmslos ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem Kind und dem gesetzlichen Vater im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im familiengerichtlichen Verfahren eine sozialfamiliäre Beziehung besteht. In einem solchen Fall bleibt das Begehren des biologischen Vaters, auch rechtlicher Vater des Kindes zu werden, immer erfolglos, auch wenn er selbst auch eine Beziehung zu seinem leiblichen Kind hat.

 

Einer dieser Väter ging bis zum BVerfG.


Er hatte mit der Mutter bis kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes zusammengelebt und auch nach der Trennung täglich Umgang mit dem Kind gehabt. Beim Jugendamt hatte er eine Vaterschaftsanerkennung hinterlegt, der die Mutter aber nicht zustimmte. Daraufhin beantragte er die Feststellung seiner Vaterschaft beim Familiengericht. Als Reaktion darauf bekam er das Kind nicht mehr zu sehen, dann legte die Mutter eine Vaterschaftsanerkennung eines anderen Mannes vor, mit dem sie nun - unverheiratet - zusammenlebte.


Deshalb wies das OLG ein Jahr später den Antrag des leiblichen Vaters zurück: durch den Zeitablauf habe nun der neue Partner eine sozial-familiäre Bindung zu dem Kind, weshalb dessen rechtliche Vaterschaft nicht mehr angefochten werden könne. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung der Schluss der Beschwerdeinstanz sei. Der Senat verkenne nicht, dass der Beschwerdeführer keine Chance gehabt habe, die rechtliche Vaterstellung einzunehmen. Dies sei jedoch Folge der gesetzlichen Regelung.


Das BVerfG sah das nach dem derzeitigen Gesetz nicht anders, stellte aber fest, dass die Anfechtungssperre in § 1600 Abs. 2 Alt. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB mit dem Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG - unvereinbar ist.


Das BVerfG erklärte die Norm aber nicht für nichtig, sondern für befristet fortgeltend, und setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis 30.06.2025 für die nötigen Änderungen.


Der Fall des Antragstellers wurde zurück an das OLG Naumburg gegeben und dort ausgesetzt, bis der Gesetzgeber eine neue Regelung getroffen hat.

 

Das BVerfG ließ dem Gesetzgeber offen, ob die Neuregelung weiterhin die Zahl der rechtlichen Eltern auf zwei begrenzt oder ob es in Zukunft Drei-Eltern-Familien geben wird.

 

Bleibt es bei zwei Eltern, müssen die Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter geändert werden. Denn mit der leiblichen Elternschaft verbindet das Grundgesetz die Vorstellung, dass den leiblichen Eltern das Wohl des Kindes "mehr am Herzen liegt als jeder anderen Person". Eltern im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG muss es grundsätzlich möglich sein, Elternverantwortung für ihre Kinder erhalten und ausüben zu können.

Alternativ könnten Mutter, leiblicher Vater und rechtlicher Vater nebeneinander Eltern sein. Denn auch die Interessen eines nicht-leiblichen Vaters, der als Ehemann der Mutter eine Beziehung zu dem Kind hat und Verantwortung übernehmen möchte, müssen berücksichtigt werden.

 

Sähe der Gesetzgeber eine rechtliche Elternschaft von drei Elternteilen vor, müsste er nicht allen diesen Elternteilen gleiche Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind einzuräumen, sondern er kann die jeweilige Rechtsstellung der Elternteile differenzierend ausgestalten.

Abzuwarten ist also, für welchen Weg die Politik sich entscheidet.


BVerfG, Urteil vom 09.04.2024 - Aktenzeichen 1 BvR 2017/21 



Vaterschafts-Anerkennung nach Scheidungsverfahren
Schwanger im Trennungsjahr?
Geburt zwischen Trennung und Scheidung

Ein Kind, das während rechtlichen Bestehens einer Ehe zur Welt kommt, ist ehelich - auch wenn allseits bekannt ist, dass der Ehemann nicht der Vater ist.

Eine Möglichkeit, ein teures und aufwendiges Anfechtungsverfahren zu vermeiden, ist a) die Einleitung des Scheidungsverfahrens noch vor Geburt plus b) die Zustimmung aller Beteiligten: Mutter, Ehemann und leiblicher Vater.

Das OLG Köln hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Kind während der Ehe geboren wurde (das Scheidungsverfahren lief bereits) und damit als ehelich galt. Alle drei - Mutter, leiblicher Vater und Ehemann - waren aber darüber einig, von wem das Kind abstammt. Der leibliche Vater gab sein Anerkenntnis ab, die Mutter stimmte zu - bloß der Ehemann, in dessen Interesse es eigentlich gewesen wäre, die rechtliche Vaterschaft loszuwerden, war etwas „saumselig". Erst über ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung stimmte er der Vaterschaft des Anderen zu.
Das OLG musste nun prüfen, ob die Jahresfrist des § 1599 BGB abgelaufen war.
§ 1599 Abs. 2 BGB durchbricht den Grundsatz, wonach die gesetzliche Vermutung, dass ein während der Ehe geborenes Kind vom Ehemann der Mutter abstammt, nur durch eine gerichtliche Entscheidung beseitigt werden kann. Die Vorschrift ermöglicht in den Fällen, in denen das Kind nach Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens geboren wird, die Anerkennung der Vaterschaft durch einen Dritten und die Beseitigung der Vaterschaftszurechnung zum bisherigen Ehemann ohne gerichtliches Anfechtungsverfahren. Voraussetzung ist, dass der Dritte die Vaterschaft innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung anerkennt und die Mutter und der geschiedene Ehemann der Anerkennung zustimmen.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass Kinder, die während eines laufenden Scheidungsverfahrens geboren werden, im Hinblick auf die Zerrüttung der Ehe in der Regel nicht von dem "Noch-Ehemann" abstammen. In diesen Fällen ist schon wegen des der Scheidung in der Regel vorausgehenden Trennungsjahres die tatsächliche Grundlage für die gesetzliche Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes nicht gegeben. Allerdings muss nach § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils erfolgen. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob auch die Zustimmungserklärungen der Mutter und des früheren Ehemanns innerhalb dieser Frist abgegeben werden müssen.
Das OLG Köln meint nun:
Nach dem Wortlaut und dem systematischen Aufbau der Vorschrift gilt das Fristerfordernis nur für die Anerkennungserklärung des Dritten. In § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB, der die Frist enthält, ist nur davon die Rede, dass der Dritte die Vaterschaft innerhalb eines Jahres anerkennen muss. Die weiteren Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Anerkennung - insbesondere die Zustimmung der Kindesmutter und des damaligen Ehemannes der Kindesmutter -, sind in den nachfolgenden Sätzen ohne Bezugnahme auf die Frist geregelt. Der Wortlaut differenziert damit zwischen der Erklärung der Anerkennung durch den Dritten und den zur Wirksamkeit der Anerkennung erforderlichen Zustimmungen.
Der Zweck der Jahresfrist - die Vermeidung eines unnötig langen Schwebezustands - erfordert nicht zwingend die Erstreckung der Frist auch auf die Zustimmungserklärungen. Auch ein auf die Anerkennungserklärung des Dritten beschränktes Fristerfordernis ist geeignet, den durch § 1599 Abs. 2 BGB ermöglichten Schwebezustand zu begrenzen. Ist innerhalb der Jahresfrist keine Anerkennungserklärung beurkundet, entfällt die Möglichkeit, die gesetzliche Vaterschaftsvermutung ohne gerichtliches Verfahren zu beseitigen. In den Fällen, in denen nach der Anerkennung durch den Dritten die erforderlichen Zustimmungen nicht zeitnah erteilt werden, hat der Dritte die Möglichkeit, die Anerkennung gem. § 1597 Abs. 3 BGB nach einem Jahr zu widerrufen. Bis zur Wirksamkeit der Anerkennung durch eine Dritten bleibt es bei der gesetzlichen Vaterschaft des geschiedenen Ehemanns.
Der noch verbleibende Schwebezustand, der sich daraus ergibt, dass die Vaterschaftsanerkennung erst mit Erteilung der nach dem Gesetz erforderlichen Zustimmungen wirksam wird, besteht auch in den übrigen Fällen der Vaterschaftsanerkennung. Nach § 1595 BGB bedarf die Vaterschaftsanerkennung auch außerhalb der in § 1599 Abs. 2 BGB geregelten besonderen Fallkonstellation des nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrages geborenen Kindes zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Mutter und ggfs. des Kindes. Auch in diesen Fällen sieht das Gesetz keine Frist für die Erteilung der Zustimmung vor, so dass in diesen Fällen zwischen der Anerkennungserklärung und der Wirksamkeit der Anerkennung ein längerer Zeitraum verstreichen kann.
Die Vorschrift des § 1599 Abs. 2 BGB knüpft daran an, dass in den dort geregelten Fällen der Vaterschaftsvermutung des Gesetzes die tatsächliche Grundlage entzogen ist. Ihr Zweck liegt in der Vermeidung gerichtlicher Anfechtungsverfahren in den Fällen, in denen zwischen den Beteiligten Einigkeit über die tatsächliche Abstammung des Kindes besteht. Dieser Zweck erfordert keine zusätzliche Befristung der vereinfachten Vaterschaftsanerkennung. Den Interessen des die Vaterschaft anerkennenden Dritten ist durch die Möglichkeit des Widerrufs der Anerkennung, den Interessen der übrigen Beteiligten durch die Möglichkeit, ein gerichtliches Anfechtungsverfahren einzuleiten, hinreichend Rechnung getragen. Gerade wenn - wie im vorliegenden Fall - die Anerkennung der Vaterschaft erst kurz vor Ablauf der Jahresfrist erklärt wird, erscheint eine Erstreckung des Fristerfordernisses auf die noch erforderlichen Zustimmungserklärungen der Mutter und des geschiedenen Ehemannes, mit dem zu diesem Zeitpunkt kein Kontakt mehr bestehen muss, nicht gerechtfertigt.
Abweichender Ansicht war zuvor das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1054).

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 22.9.2010, 16 Wx 32/10



Ehe sperrt Anerkennung der Vaterschaft durch Dritten - Nachname des leiblichen Vaters steht nicht zur Wahl

Eine Ehe entfaltet bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Vaterschaftsanfechtung eine „Sperrwirkung“ gegenüber einer Anerkennungserklärung. Die Kinder können bei einer fortbestehenden Ehe deshalb nicht den Familiennamen des Lebenspartners tragen, hat das OLG Frankfurt entschieden. Als Familienname kommt daher nur der Name der Mutter oder ihres Ehemanns als rechtlicher Vater in Betracht.


OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 25. 10. 2018 – 20 W 153/18 und 20 W 154/18



Kosten des ergebnislosen Vaterschaftsverfahrens

Wenn gerichtlich festgestellt werden muss, von welchem Vater ein Kind abstammt, entstehen oft erhebliche Kosten durch die Begutachtung aller Beteiligten (Mutter, Kind und die möglichen Väter). Das OLG Brandenburg hatte zu klären, wer diese Kosten tragen muss, wenn am Ende keine Vaterschaft feststellbar ist.

Jedenfalls nicht das Kind, selbst wenn es formal den Antrag gestellt hat. Das ergibt sich nicht aus dem Gesetz, denn dort steht zwar eine Vorschrift - § 81 Abs. 3 FamFG - , dass einem minderjährigen Beteiligten keine Kosten auferlegt werden können, die bezieht sich aber nur auf Kindschaftssachen, nicht auf Abstammungssachen.

Dennoch sei von einer Kostenlast für Kinder auch in anderen familiengerichtlichen Verfahren nur sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen, urteilte das OLG. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten seines Abstammungsverfahrens sei regelmäßig unbillig, da das Kind selbst nicht zur Unsicherheit über die Vaterschaft beigetragen oder Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben habe. Das Kind habe einen Anspruch auf Klärung seiner Abstammung. Bestehen Unklarheiten darüber, wer sein Vater ist, und ergreifen weder die Mutter noch der potentielle Vater die Initiative, die Vaterschaft außergerichtlich zu klären, ist das Kind gezwungen, ein Verfahren zur Klärung seiner Abstammung einzuleiten. Dann entspreche es nicht der Billigkeit, das Kind mit den daraus entstehenden Kosten zu belasten.

Übrig blieb die Frage, ob auch ein Mann, der zwar als Erzeuger in Betracht kam, aber letztlich nicht als Vater festgestellt wurde, mit Kosten belastet werden darf. So war es hier. Der Mann hatte im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht eingeräumt, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Mutter gehabt zu haben. Er kam deshalb als Vater des Kindes durchaus in Betracht. Nachdem die Vaterschaft durch das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten "eindeutig ausgeschlossen werden" konnte, hatte das antragstellende Kind seinen Antrag zurückgenommen.

Er sei an den Kosten zu beteiligen, weil er zu einer außergerichtlichen Untersuchung der Abstammung nicht bereit gewesen war.

Die Mutter war an den Kosten des Verfahrens schon deshalb zu beteiligen, weil ihr - wie das Ergebnis des Abstammungsgutachtens zeigt - bewusst gewesen sein muss, dass nicht allein der Antragsgegner als Vater des Kindes in Betracht kommt.

Damit ist ein Fall gegeben, in dem beide (potentielle) Eltern zur Unklarheit der Vaterschaft beigetragen haben. Dann entspricht es nach erfolgloser Vaterschaftsfeststellung regelmäßig der Billigkeit, die Gerichtskosten zwischen ihnen aufzuteilen. Jeder musste seinen Anwalt selbst bezahlen.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2022 - Aktenzeichen 10 WF 45/22



Mutter muss Abstammungsgutachten bezahlen

Der biologische Vater eines Kindes ist durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln, wenn die Mutter sogenannten „Mehrverkehr“ hatte. Das bedeutet vaginale Sexualkontakte mit mehreren Männern während der einige Monate dauernden „gesetzlichen Empfängniszeit“. Die Kosten eines solchen Gutachtens müssen in so einem Fall alle Beteiligten anteilig tragen, denn Kindesmutter und potentielle Väter veranlassen das Verfahren in gleicher Weise dadurch, dass sie in der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben.



Anders war es in einem Fall in Bremen.

Da musste die Mutter das Verfahren und das Abstammungsgutachten alleine bezahlen.

Die Besonderheit des Falles lag darin, dass nur ein einzelner Mann als Vater infrage kam, der auch gern gesetzlicher Vater sein wollte. Die Mutter hätte dem mittels Vaterschaftsanerkennung beim Jugendamt zustimmen können und damit die Verfahrenskosten vermeiden können.

Sie missgönnte ihm aber den Status als gesetzlicher Vater, weil er sich um das Kind ihrer Meinung nach nicht ausreichend kümmere.

Amtsgericht und Oberlandesgericht beurteilten dieses Verhalten als mutwillig und reagierten mit dem Auferlegen von Kosten.


Hinweis:

Die gesetzliche Empfängniszeit dauert vom 300. bis zu dem 181. Tag vor der Geburt des Kindes. Sie ist so lang, um alle außergewöhnlichen biologischen Varianten der Zeugung zu erfassen.


OLG Bremen, Beschluss vom 29.02.2024 - Aktenzeichen 4 UF 1/24


Spermaspender ohne Unterhaltspflicht

Auf der Internet-Seite "Spermaspender.de" verabreden sich Frauen, die ein Kind von einem Fremden empfangen wollen, mit spendebereiten Männern. Grund dafür ist häufig, dass zwei Frauen ein Kind in einer lesbischen Partnerschaft erziehen möchten, ohne dass ein leiblicher Vater Rechte am Kind hat. Der Zeugungsvorgang geschieht dann ohne Körperkontakt, sog. Becherspende.

Ein Mann, der auf dieser Website aktiv war, hatte auf diese Weise bereits mehrere Kinder gezeugt und unterhielt zu den Frauen und Kindern zum Teil freundschaftlichen Kontakt.


Zu einer der Mütter war die Freundschaft vorbei, als diese beim Jugendamt Unterhaltsvorschus beantragte und die Unterhaltvorschusskasse später beim Vater knapp 30.000 € vollstreckte.

Vor dem OLG Brandenburg ging es nicht nur um diesen Betrag, sondern auch um den künftigen Unterhalt des Kindes.

Der Mann legte dem Gericht sein Inserat auf der Spermaspender-Website vor:

"Ich habe keine finanziellen Interessen, nur sollte eurerseits die Bereitschaft bestehen, Unkosten zu übernehmen. Unterhalt möchte ich nicht zahlen. Ich möchte weder vorher noch nachher Kosten tragen müssen."

Weil die Zeugung auf dieses Basis zustande gekommen war, gab das OLG dem Mann recht. Er musste keinen Unterhalt zahlen und bekam das bereits Gezahlte zurück.



Ein Vertrag zwischen einem Unterhaltsverpflichteten und einem Dritten entfaltet wegen des von § 1614 Abs. 1 BGB sanktionierten Unterhaltsverzichts zwar keine rechtlichen Wirkungen für den Unterhaltsberechtigten, kann jedoch - auch im Falle einer Vaterschaft durch Spermaspende - eine zulässige Freistellung des Verpflichteten begründen (vgl. Staudinger/Rieble (2022), BGB § 414 Rn 100; Wellenhofer FamRZ 2013, 825 ), indem sich der Dritte im Wege einer Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB dazu verpflichtet, die von der Vereinbarung umfassten, zukünftigen Unterhaltsforderungen des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten zu übernehmen und diesen dadurch freizustellen (BGH FamRZ 2009, 768 , 770; NJW-RR 1987, 709 ; Senat FamRZ 2022, 186 Rn. 26; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, FamRZ 2003, 1965 ; OLG Braunschweig BeckRS 2010, 15428; OLG Jena NJW-RR 2008, 1678 ; BeckOGK/Hamberger, 1.2.2023, § 1614 BGB Rn. 91; MüKoBGB/Langeheine, 8. Aufl. 2020, § 1614 BGB Rn. 13).


OLG Brandenburg - Beschluss vom 27.02.2023 (13 UF 21/22)


Vaterschaftsanerkennung nach Tod der Mutter

Um rechtlicher Vater eines Kindes zu werden, kann ein Mann mit Zustimmung der unverheirateten Mutter die Vaterschaft anerkennen. Dabei wird die Blutsverwandtschaft gar nicht geprüft. Der Gesetzgeber nimmt dadurch hin, dass biologisch unrichtige Abstammungsverhältnisse entstehen, wenn Vater und Mutter das so wollen – so wie auch in der Ehe ein rechtlich gemeinsames Kind entsteht, ohne dass die DNA geprüft werden muss. Auch wenn das Abstammungsrecht grundsätzlich darauf abzielt, die biologische Abstammung abzubilden, räumt das Gesetz der „biologischen Wahrheit“ bei der Abstammung keinen unbedingten Vorrang ein, wenn die sozialen Beziehungen so sind, das die Beteiligten das Bedürfnis der rechtlichen Bindung aneinander haben.


Was aber, wenn die Mutter schon verstorben ist und nicht mehr zustimmen kann?


Im Fall, der bis zum BGH ging, wollte ein Mann im Jahr 2021 eine bereits 58 Jahre alte Frau als seine Tochter anerkennen. Er gab die entsprechende Erklärung beim Notar ab, die Frau stimmte zu. Das Standesamt verweigerte aber die Eintragung und forderte eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung mit Abstammungsgutachten.


Auch zwei Instanzen der Gerichte fanden es wichtig, dass in einem solchen Fall die biologisch-genetische Abstammung tatsächlich geprüft wird.


Nicht der BGH: Durch den Tod der Mutter sei das Zustimmungserfordernis ersatzlos entfallen. Wenn das Kind zustimme – mit über 14 Jahren selbst, sonst durch seinen gesetzlichen Vertreter – genüge das. Bis zum Kindschaftsrechtsreformgesetz 1998 war die Zustimmung der Mutter ohnehin gar nicht vorgesehen. Das Verfahren lief früher allein zwischen dem Vater und dem Jugendamt ab.


Der Zweck der „neuen“ Regelung des § 1595 Abs. 2 BGB liegt laut BGH aber nicht vorrangig in der Gewährleistung der Abstammungswahrheit. Durch die Einführung des § 1595 Abs. 1 BGB wollte der Reformgesetzgeber vielmehr die Rechtsstellung der Mutter bei der Anerkennung der Vaterschaft stärken, indem er ihr ein eigenes Zustimmungsrecht einräumt. Wenn sie tot ist, braucht sie diesen Schutz nicht mehr.

 

BGH 30.08.2023 XII ZB 48/23


Share by: